474 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller.
Daß der Staatssekretär des Innern Graf von Posadowsky die
von der Sozialdemokratie ausgehende Gefahr in gleicher Weise wie
er auffasse, gehe aus der von ihm am 19. Juni gehaltenen Rede
hervor. Graf von Posadowsky habe gesagt: „Wie die sozial—
demokratische Partei organisirt ist, trägt sie den Charakter eines fast
staatlichen Körpers innerhalb des Staates. — Die Sozialdemokratie
hat eine weit verbreitete, einflußreiche Presse, eine sehr gut organi—
sirte Polizei, eine Steuererhebung, eine Finanzverwaltung und,
meine Herren, sie will ihr Werk noch krönen, indem sie sich, gegenüber
den widerstrebenden Elementen innerhalb der Arbeiterbevölkerung
auch noch das Staatshoheitsrecht der Exekutive anmaßt. Weiter ist
der Koalitionszwang nichts. (Die Sozialdemokraten widersprechen.)
Gewiß, meine Herren, das heißt das Staatshoheitsrecht der Exekutive
sich aneignen, wenn Sie jeden Arbeitswilligen, der arbeiten will, wenn
die Parteileitung es verbietet, verfolgen, verfehmen und ächten, und
wenn Sie ihm körperliche und sittliche Nachtheile zufügen.“*)
Bueck fuhr fort, indem er sagte, daß er von seinen Be—
merkungen über die von der Sozialdemokratie ausgehende Gefahr
nichts zurückzunehmen habe.
Er sei getadelt worden, daß er die Parteien im Reichstage
zu scharf angefaßt habe. Dabei sei von einer Seite der Wunsch
geäußert worden, man möge sich mehr nach der im Reichstage
herrschenden Stimmung richten. Mit Bezug auf diesen Rath möchte
er die Frage stellen, ob die Industriellen, die doch als Vertreter
eines bedeutenden Theiles des Volkes anzusehen seien, nicht mit
voller Berechtigung verlangen könnten, daß die Parteien sich etwas
mehr nach der Stimmung im Volke richten möchten. Daß sie dazu
keine Neigung hätten, sei schon aus den bei der Berathung des
Budgets entwickelten Ansichten und gestellten Anträgen ersichtlich.
Von diesen Ansichten und Anträgen sei in einer kürzlich erschienenen
Broschüre gesagt worden, sie gipfelten in der „unklaren Auffassung,
mit den Führern der sozialdemokratischen Partei als Volkstribunen
rivalisiren zu können“. Einen ähnlichen Eindruck habe auch er
von der Thätigkeit dieser Führer im Reichstage. Wenn er in Ver—
tretung der Großindustrie zu handeln habe, und solche Eindrücke
auf ihn einwirkten, dann habe er das Recht die Parteien und
namentlich deren Führer in ihrer Haltung zu kritisiren.
) Sten. Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags
X. Legisl.-Periode, 1. Session 1898/1900, 3. Band S. 2643.