2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 499
Richter vor, „die Verhandlungen über den 8 1374 von der
heutigen Tagesordnung abzusetzen“.
Richter begründete seinen Antrag mit der schwachen Besetzung
des Hauses. Er und seine Freunde hätten keinen Widerspruch er—
heben wollen gegen Abstimmungen, von denen man hätte annehmen
können, daß sie dem wirklichen Willen der Mehrheit des Hauses
entsprächen. Ein solcher Schluß könne mit Bezug auf den 8 1372
nicht gezogen werden. In der zweiten Lesung sei dieser Paragraph
abgelehnt worden; inzwischen hätten einzelne Gruppen ihre Stellung
geändert. Man werde es begreifen, wenn man die Wiederher—
stellung oder Ablehnung dieses Paragraphen in dritter Lesung nicht
abhängig machen wolle von einer vielleicht ganz zufälligen
Mehrheit. Er bitte daher, den 8 1374 von der Verhandlung
auszuschließen und demnächst bei einer stärkeren Besetzung des
Hauses in die Verhandlung einzutreten; andernfalls werde er, zu
seinem Bedauern, von der Bestimmung der Geschäftsordnung
Gebrauch machen müssen. Damit hatte der Abgeordnete Richter
sagen wollen, daß es nicht in seiner Absicht liege die Feststellung
dieses überaus wichtigen Gesetzes durch eine „zufällige Mehrheit“
zu stören, daß er aber, wenn sein Wille in diesem einzelnen Falle
auf Widerstand stoßen sollte, entweder die Beschlußfähigkeit des
Hauses anzweifeln oder namentliche Abstimmung beantragen werde.
Bei dem schwach besetzten Hause hätten in beiden Fällen die Ver—
handlungen abgebrochen werden müssen. Der Antrag des Abge—
ordneten Richter wurde von Dr. Hitze befürwortet und der 8 1374
mit noch einigen anderen auf ihn bezüglichen Paragraphen von der
Tagesordnung abgesetzt.
Erst am 23. Mai 1900*) konnte die dritte Lesung mit der
Abstimmung über die zurückgestellten Paragraphen beendet werden.
Dabei wurde die Wiederherstellung des 8 1374a abgelehnt.
Der Gesetzentwurf der Regierung war vom Reichstag nicht
unwesentlich verändert und erweitert worden. Im Artikel VI8 1144
sollte der Bundesrath für die Kleider- und Wäschekonfektion sowie
andere Gewerbe, „in denen die Unklarheit der Arbeitsbedingungen
zu Mißständen geführt habe“, Lohnbücher oder Arbeitszettel vor—
schreiben können. Nach den Beschlüssen des Reichstages lautete
der erste Satz: 8 114a: „Für bestimmte Gewerbe kann der Bundes—
*) Sten. Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags,
X. Legisl.-Periode, 1. Session 1898/1900, 7. Band, S. 5730.
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