Full text: Dritter Band (3. Band)

532 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller. 
betont worden, daß für die obligatorische Einführung der Gewerbe— 
gerichte in allen Theilen des Reichsgebietes es sowohl an einem 
Bedürfniß wie an der Voraussetzung praktischer Durchführbarkeit 
fehle. Das sei seitdem nicht anders geworden. Obgleich die gesetz— 
liche Möglichkeit dafür gegeben sei, hätten mehr als 50 Gemeinden 
über 20000 Einwohner bisher Gewerbegerichte noch nicht eingeführt. 
Der von dem Reichstag beschlossene Gesetzentwurf wolle nicht 
nur die städtischen Gemeinden zur Errichtung von Gewerbegerichten 
zwingen, sondern auch die ländlichen Gemeinden gleicher Größe, 
in denen ein Bedürfniß nicht nachgewiesen sei und nicht vorliege. 
Damit würde diesen Gemeinden eine unnütze Last auferlegt werden. 
Durch die Gewerbegerichte sei eine neue Wahlgelegenheit ge— 
schaffen worden, die, wie jede Wahl, wesentlich zur Stärkung 
der sozialdemokratischen Agitation beitragen werde. Sollten solche 
Gerichte jetzt auch für ländliche Gemeinden von mehr als 
20 000 Einwohnern errichtet werden müssen, so würde die Agitation 
planmäßig auf zahlreiche ländliche Gemeinden des Reiches über— 
tragen werden, was sicherlich nicht im Interesse der staatlichen 
Ordnung liege. 
Die Beschlüsse des Reichstages seien ferner geeignet die 
Gewerbegerichte völlig an die Sozialdemokratie auszuliefern und 
sie zu einem ausschließlichen Organ der Klassenjustiz zu machen. 
Daß die Arbeiter nur Arbeiter als Beisitzer in die Gewerbegerichte 
wählen, sei bekannt. Es sei vorauszusehen, daß in Zukunft auch 
die Vertreter der Arbeitgeber zum großen Theil aus Personen be— 
stehen werden, die Arbeiter sind oder, nach ihren Interessen und 
ihren Ansichten, zur Klasse der Arbeiter gehören. Denn durch die 
Beschlüsse des Reichstages sei der Begriff der Arbeitgeber so gefaßt, 
daß auch Arbeiter, die gelegentlich einmal einen Gehilfen beschäftigen, 
also zeitweise auch einmal, gleichsam in Nebenbeschäftigung, Arbeit⸗ 
geber sind, als Arbeitgeber wählen. Ein Hausirer, der sich alljährlich 
vpor den Pfingstfeiertagen einen Gehilfen halte, ein Flickschuster, der 
alljährlich im Frühjahr vier Wochen lang einen Gesellen einstelle, 
sie alle würden nach den Reichstagsbeschlüssen wahlberechtigte 
Arbeitgeber darstellen, so daß mit ziemlicher Sicherheit der völlige 
Ausschluß der wirklichen Arbeitgeber aus der Vertretung der Arbeit— 
geber in den Gewerbegerichten zu erwarten sei. 
Die XII. Kommission des Reichstags habe diese Prole— 
tarisirung der Gewerbegerichte durch ihre Beschlüsse auch ganz richtig
	        
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