2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 535
sofern er das Ausscheiden des Arbeiters für unberechtigt ansehe
und die Arbeitsbedingungen nicht abstellen wolle, die jenen
zum Austritt veranlaßten. Denn hier handle es sich unzweifel—
haft um eine Streitigkeit über die Wiederaufnahme des Arbeits—
verhältnisses.
Unverkennbar sei diese Ausdehnung der Thätigkeit des
Einigungsamtes vom Reichstag nicht beabsichtigt gewesen. Aus
den Verhandlungen in der Kommission und in der Vollversamm—
lung des Reichstages gehe sogar hervor, daß dies unbewußt
geschehen sei. Damit werde ein bedenkliches Licht auf die ge—
ringe Gründlichkeit der Verhandlungen geworfen. Andererseits
sei es eine allgemein anerkannte Thatsache, daß bei der Anwendung
eines Gesetzes gewöhnlich weder auf die Geschichte, noch auf die
Motive desselben Rücksicht genommen werde, sondern das Gesetz
werde lediglich nach seinem Wortlaute zur Anwendung gebracht.
In Rücksicht auf diese Thatsache sehe das Direktorium in dieser
ungewollten Ausdehnung des Thätigkeitsbereiches der Einigungs—
ämter eine schwere Gefährdung der Grundlagen des sozialen Lebens
und der wirthschaftlichen Bethätigung.
Nach 86260 der Beschlüsse des Reichstages könne der Vor—
sitzende des Gewerbegerichts zunächst, wenn er ein Einigungsamt
für einen bestimmten Fall schaffen will und wenn er von beiden
Parteien dazu aufgefordert ist, die Betheiligten vorladen und ver—
nehmen. Für den Fall des Nichterscheinens könne er eine Geld—
strafe bis zu 100 Mark androhen. Diese Bestimmung war von
dem Direktorium nicht für unberechtigt erachtet worden; denn wenn
sich beide Parteien erst zur Verhandlung vor dem Vorsitzenden des
Gewerbegerichtes verstehen, dann sollten sie auch, bis zur Abgabe
eines ausdrücklichen Widerrufes, gehalten sein, sich zu den an—
beraumten Verhandlungen einzufinden. Der 8 62c bestimmte aber
weiter durch die Worte „oder 8 62a“, daß die vorerwähnte Strafe
auch verhängt werden könne, wenn die Anregung zur Verhandlung
nur von einer Seite ausgegangen sei. Eine solche Bestimmung
erachtete das Direktorium für einen gröblichen Eingriff in die
wirthschaftliche Freiheit, als einen Eingriff, der in der Gesetzgebung
eines civilisirten Landes nicht vorkommen sollte. Was den
ordentlichen Richtern in Straf- und Civilsachen in allen Ländern
zustehe und allenthalben auf das ordentliche Gericht beschränkt
sei, die persönliche Vorladung des Beklagten, das soll hier auf ein