536 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller.
noch gar nicht konstituirtes Einigungsamt übertragen werden, von
dem zur Zeit nur der Vorsitzende vorhanden sei.
Das Direktorium führte weiter aus, daß dieser Reichstags—
beschluß auf einer völligen Verkennung der Stellung eines Eini—
gungsamtes oder Schiedsgerichtes im öffentlichen Leben beruhe. In
der ganzen Welt beständen Schiedgerichtsverfahren für zahlreiche in
Handel und Gewerbe vorkommende Fälle, in denen sich die be—
theiligten Parteien nicht über die Auslegung eines ehedem zwischen
ihnen geschlossenen Vertrages einigen könnten. Zur Feststellung der
gültigen Auslegung vorhandener Verträge hat sich ein Schieds—
gericht oft als ein geeignetes Mittel erwiesen. Zu diesem Zwecke
seien dereinst die Gewerbegerichte berufen worden und darauf er—
strecke sich noch heute deren ordentliche Thätigkeit. Bei einem
Streit zwischen Arbeitgeber und Arbeitern über die Bedingungen
der Fortsetzung oder Wiederaufnahme des Arbeitsverhältnisses
handle es sich aber um die Schließung eines neuen Vertrages.
Die Ermächtigung, mit einer Strafe von 100 Mark zu drohen, um
das Erscheinen der Betheiligten auf den Antrag einer Partei zu
erzwingen, habe die Bedeutung, daß der Widerstand gegen die
Schließung eines neuen Vertrages mit Strafe bedroht werde. Das
sei die Ausübung eines Druckes, eines Zwanges zur Herbeiführung
eines neuen Vertrages. Während es jetzt Jedermanns gutes Recht
sei, selbst die Entscheidung zu treffen, ob er einen Vertrag eingehen
wolle und unter welchen Bedingungen, soll nunmehr die rechtliche
Grundlage dafür geschaffen werden, Denjenigen zu belästigen,
bloßzustellen und vermögensrechtlich zu schädigen, der nach Maß—
gabe seiner Interessen es ablehne einen bestimmten neuen Vertrag
einzugehen. Eine derartige gesetzliche Bestimmung würde den Bruch
mit allen Grundsätzen bedeuten, die bisher für Handel und Wandel
gegolten hätten. Es würde mit der Freiheit des Vertragsschlusses
zu Ende sein, und damit würden die jetzigen Zustände dem
sozialistischen Zwangsstaat um einen Schritt näher gerückt werden.
In der Kommission sei davon gesprochen worden, daß vom
Standpunkte der öffentlichen Interessen und des öffentlichen Rechts
eine solche Vergewaltigung der Vertragsfreiheit geboten sei. An—
gesichts eines Nothstandes für Leib und Leben von Menschen,
beispielsweise bei Ueberschwemmung, Schiffbruch, Feuersbrunst, Ver—
schüttung lebender Wesen, und anderen derartigen Fällen, könne es
allerdings wünschenswerth sein, daß ein Vertrag über die Leistung