Full text: Dritter Band (3. Band)

2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 537 
der erforderlichen Arbeit sofort zustande komme. Von solchen 
Vorkommnissen seien Streitigkeiten über die Arbeitsbedingungen 
gänzlich verschieden. Wenn der Vertrag über die Arbeitsbedingungen 
als öffentliche Angelegenheit betrachtet werde, so sei ein Gleiches 
gerechtfertigt bezüglich der Brodpreise, der Preise für Kohlen, für 
die Verkehrsbeförderung und dergleichen mehr. Dann würde auch 
auf allen diesen Gebieten das Eingreifen der Gesetzgebung gerecht— 
fertigt werden und geboten erscheinen. Auf diese Gründe gestützt, 
hatte das Direktorium des Centralverbandes an den Bundesrath 
die Bitte gerichtet, den Beschlüssen des Reichstages über die 
Abänderung des Gesetzes, betreffend die Gewerbegerichte vom 
29. Juli 1890 seine Zustimmung zu versagen. 
Die Eingabe des Direktoriums ist von dem Bundesrathe 
nicht berücksichtigt worden. Er ertheilte dem von dem Reichstage 
verabschiedeten Gesetze die verfassungsmäßige Genehmigung. Das 
Gesetz wurde unter dem 24. Juni 1901 verkündet. 
Am 1. und 2. Oktober 1901 fand eine Versammlung der 
Delegirten des Centralverbandes statt. 
Dr. Tille, der Stellvertreter des Geschäftsführers, berichtete 
über die Novelle zum Gesetz, betreffend die Gewerbegerichte vom 
30. Jumn 1901* 
Der Berichterstatter bezeichnete das Jahr 1898 als bedeutungs— 
voll für die neueste Entwickelungsgeschichte der Auffassungen der 
Gebildeten über die Lage der handarbeitenden Klassen. Er zeigte, 
wie seit der Mitte der siebziger Jahre sich die öffentliche Aufmerk— 
samkeit auf diesen Theil des sozialen Lebens gelenkt habe, wie sich 
eine ganze Literatur gebildet habe, zur Verherrlichung des Arbeiters 
und alles Dessen, was Arbeiter namentlich durch Gründung von 
Vereinigungen und Veranstaltungen von Ausständen im Sinne einer 
vermeintlichen Hebung ihres Standes versucht hätten. England mit 
seinen Gewerkvereinen und Riesenausständen sei dabei vorangegangen. 
Hervorragende deutsche Nationalökonomen hätten es sich zur Auf— 
gabe gemacht, die damals in England herrschende irrthümliche Vor— 
stellung über die Bedeutung und Wirksamkeit der Gewerkvereine auf 
deutschen Boden zu übertragen. Der Kathedersozialismus habe 
wesentlich zur Förderung einer Gesetzgebung beigetragen, durch welche 
*) Verhandlungen ꝛc. des Centralverbandes, Heft 91, S. 223.
	        
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