Full text: Dritter Band (3. Band)

2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 541 
sei hervorgehoben worden, daß künftig in dieses Schiedsamt von 
beiden Seiten die Heißsporne gewählt werden würden. Diese 
würden bei der gleichen Stimmenzahl sich voraussichtlich in den 
meisten Fällen unvermittelt gegenüber stehen. Dadurch würde die 
Macht des Vorsitzenden außerordentlich gesteigert und seiner sub— 
jektiven Auffassung der Sache ein größerer Einfluß eingeräumt 
werden. 
Bezeichnend für das doppelte Maß, mit dem bei der Arbeiter⸗— 
gesetzgebung gemessen werde, sei ferner der Umstand, daß in der 
Novelle eine ganze Anzahl Personen als Arbeitgeber gelten, die 
nach den Arbeitsversicherungsgesetzen als Arbeiter angesehen würden 
und die Wohlthaten dieser Gesetze genössen. Der neue 8 14 Absatz1 
lasse als Arbeitgeber im Sinne der 88 11 bis 13 alle diejenigen 
selbständigen Gewerbetreibenden gelten, die mindestens einen Ar— 
beiter regelmäßig oder zu gewissen Zeiten des Jahres beschäftigen, 
also beispielsweise einen Hausirer, der sich jedes Jahr acht Tage 
vor Pfingsten oder einen Schuhmacher, der acht Tage vor Ostern 
einen Gehilfen halte. 
Dr. Tille ging dann dazu über, die von der Novelle 
geschaffenen eigenthümlichen Rechtsverhältnisse darzustellen. Dabei 
führte er den Nachweis, daß die der schiedsamtlichen Thätigkeit 
des Gewerbegerichts gegebene außerordentliche Ausdehnung — der 
Berichterstatter bezeichnete sie als „absurd“ — von dem Reichstage 
gar nicht beabsichtigt worden, sondern nur durch ein später nicht 
bemerktes Versehen der XII. Kommission herbeigeführt worden sei. 
Dr. Tille besprach bei dieser Gelegenheit auch die dem Vor— 
sitzenden des Gewerbegerichts durch den 8 620 ertheilte Ermächti— 
gung, die vorgeladenen, aber zur Verhandlung nicht erschienenen 
Parteien mit einer Strafe bis zu 100 Mark auch in dem Falle zu 
belegen, in dem die Anregung nur von einer Partei ausgegangen 
sei. Er bezeichnete diese Bestimmung als eine grundsätzliche 
Neuerung auf dem Gebiete des privaten Vertragsschlusses. Dem 
Staate werde ein Recht zum Einschreiten gegeben, wenn sich zwei 
nicht über die Bedingungen einigen können, unter denen sie in ein 
gewerbliches Verhältniß zueinander treten wollen. Das bedeute 
einen staatlichen Druck zum Zwecke der Herbeiführung eines zwischen 
Privatpersonen zu schließenden neuen Vertrages und damit einen 
groben Eingriff in die Freiheit des Vertragsschlusses überhaupt. 
Die Freiheit des Vertragsschlusses zwischen Unternehmer und
	        
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