Full text: Dritter Band (3. Band)

2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 585 
erst einmal ein absolut freies Koalitionsrecht und ein freies Ver— 
eins- und Versammlungsrecht gewährt werde. Die anderen orga— 
nisatorischen Bildungen, Arbeitskammern u. s. w., die Frage der 
Rechtsfähigkeit der organisirten Berufsvereine, laufen nur nebenher. 
Höchst bezeichnend dafür, wie der sozialdemokratische Redner das 
freie Koalitionsrecht auffaßt, war eine Bemerkung, die er dem 
Abgeordneten Trimborn gegenüber machte. Dieser hatte gesagt, 
es solle ein freies Koalitionsrecht gewährleistet werden, es müßte 
aber die eine Schranke bestehen, daß die öffentliche Ordnung und 
Sicherheit aufrecht erhalten werde. In Bezug hierauf sagte 
Legien: „Meine Herren, Sie können überzeugt sein, wenn 
in das zu erwartende oder in irgend ein Koalitions— 
gesetz diese Bestimmung von der Nichtgefährdung der 
öffentlichen Sicherheit und Ordnung hinzukommt, dann 
heben Sie damit das Koalitionsrecht wieder auf. (Sehr 
richtigl bei den Sozialdemokraten.) 
Gegen die von dem Fragesteller und dem Abgeordneten 
Legien und dessen Freunden vertretenen Ansichten sprachen die 
Abgeordneten Freiherr von Richthofen-Damsdorf und von 
Kardorff. Der Erstere hielt es für erforderlich, sich bezüglich der 
Einzelausführungen großer Vorsicht zu befleißigen, da die von der 
Regierung angekündigte Vorlage nicht bekannt sei. Seine Fraktion 
— die konservative — werde sich bei dieser Frage auf den Boden 
der praktischen Sozialreform stellen; sie werde sich aber die Aller— 
höchste Botschaft vom Februar 1890 zur Richtschnur dienen lassen. 
Was von Allerhöchster Stelle in so feierlicher Form gesagt worden 
sei, dürfe niemals vergessen werden. Die Allerhöchste Botschaft 
bedürfe der Ausführung, damit sei aber nicht gesagt, daß sie sofort 
der Ausführung bedürfe, auch nicht gesagt, in welcher Weise sie 
ausgeführt werden solle. Die Allerhöchste Botschaft stelle nur all— 
gemeine Prinzipien auf. Das, was der Vertreter der Reichs— 
regierung heute ausgeführt habe, zeige, daß diese Botschaft auch 
jetzt nur in einigen Richtungen von der Regierung ausgeführt 
werden soll. Die Botschaft stelle nur gewisse Prinzipien auf, die 
verfolgt werden sollten, und füge nicht hinzu, wie es mögleich sei, 
diese Prinzipien im einzelnen auf allen Gebieten zu verwirklichen. 
Der eifrigste Förderer der Sozialpolitik, der vielleicht am Minister— 
tisch zu sehen gewesen, sei der Minister von Berlepsch. Dieser habe 
im Jahre 1895 den Zeitpunkt für die soziale Reform auf den—
	        
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