Full text: Dritter Band (3. Band)

16 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller. 
gebungen dringend nothwendig. Die gesetzlich gewährleistete Frei— 
zügigkeit forderte auch als Folge die Einheit der Gewerbegesetz— 
gebung. Die Bundesregierung legte denn auch bereits im Jahre 
1868 einen Entwurf einer Gewerbeordnung für den Norddeutschen 
Bund dem Reichstage vor.“) Dieser Gesetzentwurf wurde einer 
Kommission überwiesen. Die von dieser vorgenommenen Aende— 
rungen, namentlich mit Bezug auf die Konzessionspflicht verschiedener 
Gewerbebetriebe, stießen jedoch bei der Regierung auf Widerspruch. 
Da eine Verständigung ausgeschlossen erschien, brachten die Abge— 
ordneten Dr. Lasker und Miquel einen Gesetzentwurf, betreffend 
den Betrieb der stehenden Gewerbe ein. Er erhielt als „Noth— 
gewerbegesetz“ vom 19. Juni 1868 Gesetzeskraft. 
Durch dieses Gesetz wurden aufgehoben die Rechte der Zünfte 
und kaufmännischen Korporationen, das Recht, andere von dem 
Betriebe eines Gewerbes auszuschließen, die Unterscheidung zwischen 
Stadt und Land mit Bezug auf den Gewerbebetrieb und dessen 
Ausdehnung, die Beschränkung des Handwerks auf den Verkauf 
selbst angefertigter Waaren und das Verbot des gleichzeitigen Be— 
triebes verschiedener Gewerbe, sowie desselben Gewerbes in mehreren 
Betriebs- oder Verkaufslokalen. Ferner wurde aufgehoben der 
Befähigungsnachweis für den Betrieb eines Gewerbes, mit Aus— 
nahme der Gewerbebetriebe der Aerzte, Apotheker, Hebammen, Ad— 
vokaten, Seeschiffer, Seesteuerleute und Lootsen. 
Jeder Gewerbetreibende sollte hinfort Gesellen, Gehilfen und 
Arbeiter jeder Art in beliebiger Zahl halten dürfen. Die Gesellen 
und Gehilfen sollten in der Wahl ihrer Meister unbeschränkt sein. 
Der Betrieb eines Gewerbes, zu dessen Beginn nach Maßgabe 
der bestehenden Landesgesetze eine polizeiliche Genehmigung nicht 
erforderlich war, sollte fortan nur im Wege der Bundesgesetzgebung 
von einer solchen abhängig gemacht werden können. 
Das Gesetz sollte keine Anwendung finden auf die Bestim— 
mungen der Landesgesetze über die Erfindungspatente, das Berg— 
wesen, die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter, den Verlust der 
Befugniß zum Halten von Lehrlingen als Folge strafrechtlichen 
Erkenntnisses, die Berechtigung der Apotheker, Gehilfen und Lehr— 
linge anzunehmen, den Betrieb öffentlicher Fähren und das Ab— 
deckereiwesen. 
*) Sten. Berichte über die Verhandlungen des Reichstags des Norddeutschen 
Bundes, J. Legisl.-Periode, Anlage Nr. 43, S. 111.
	        
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