26 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller.
daß die auf gewerblichen Gebieten unter der jetzigen Gewerbegesetz—
gebung entstandenen Mißstände einer Abhilfe bedürfen, war die Frage
dahin gestellt worden: „Gedenkt die Reichsregierung zur Beseitigung
dieser Mißstände dem jetzt versammelten Reichstage Vorlagen über
Abänderung der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869, beispiels—
weise in Bezug auf das Lehrlingswesen, die Frauen- und Kinder—
arbeit, die Maßregeln zur Verhinderung des Kontraktbruchs, die
Beschränkung der Wanderlager und des Hausirhandels, sowie in
Betreff der Schank- und Gastwirthschaft u. s. w. zur Berathung zu
unterbreiten?“*)
Nach der Begründung durch den Abgeordneten Richter—
Meißen, antwortete der Präsident des Reichskanzleramtes, Staats—
sekretär Hofmann,“*) daß für die gegenwärtige Session des Reichs—
tages Vorlagen seitens der Verbündeten Regierungen, die eine
grundsätzliche Aenderung von Bestimmungen der Gewerbeordnung
bezweckten, nicht in Aussicht ständen. Es werde nur ein kleiner
Gesetzentwurf zur Ergänzung des Verzeichnisses der konzessions—
pflichtigen Gewerbe im 8 16 dem Reichstage zugehen. Damit
wolle er keineswegs sagen, daß die Verbündeten Regierungen dem
Bedürfniß nicht Anerkennung zollten, bezüglich der in der Inter—
pellation hervorgehobenen Punkte einer Aenderung der Bestimmungen
der Gewerbeordnung näher zu treten. Die Verbündeten Regierungen
hätten das bereits dadurch gethan, daß die Ergebnisse der Er—
mittelungen über das Lehrlingswesen und über die Frauen- und
Kinderarbeit von ihnen zum Gegenstande einer gründlichen Prüfung
gemacht worden seien. Die über diese Ergebnisse bisher von den
deutschen Regierungen eingegangenen Aeußerungen ließen erkennen,
daß in manchen Beziehungen das Bedürfniß einer Aenderung an—
erkannt werde. Gleichzeitig habe sich aber auch die Meinung
geltend gemacht, daß die gegenwärtige Zeit einer wirthschaftlichen
Krisis nicht geeignet sei, solche Reformen der Gewerbeordnung
einzuführen, die für den Gewerbebetrieb Erschwerungen oder über—
haupt eingreifende neue Normen mit sich bringen würden. Es
liege auch die Gefahr nahe, daß man, gerade unter dem Eindruck
der gegenwärtigen schlechten Lage, in dem Glauben damit Abhilfe
zu schaffen, geneigt sein könnte Bestimmungen zu treffen, die bei
*) Sten. Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags
III. Legisl.⸗Periode, 1. Session 1877, Band 1, S. 93
**) Ebendaselbst, S. 95