Full text: XVII. und XVIII. Jahrhundert bis zum Auftreten Friedrichs des Großen 1740 (21. Band, 2. Abtheilung)

4. a. Vom Kriege und KriegSrechte. dl 
Grotius hat jeine völkerrechtliche Tätigkeit mit der Abhandlung 
„Mare liberum“ begonnen, deren Zweck zunächst die Verteidigung 
der niederländischen Handelsfreiheit im indischen Meere gegenüber den 
Anmaßungen der Spanier und Portugiesen war. Zu der Zeit aber, 
da Deutschland ein großes Schlachtfeld wurde, wandte er sich der 
Bearbeitung seines Hauptwerks zu (1622-1625). Ursprünglich war 
es feineSweges Grotes Absicht, ein System des Natur- und BVölker- 
rechtes zu entwerfen; vielmehr wollte er angesichts der Bedrohung 
uropas durch die türkische wie durch die eigene Barbarei und wegen 
er trostlosen Praxis des Kriegsgebrauches eben nur Rechte und 
flichten der Kriegführenden auseinandersezen. Doch schon die Unter 
uchung der ersten Frage: wer Krieg zu führen berechtigt sei, nötigte ihn 
auf das Gebiet des Statsrechtes, und indem er nach den Grundlagen 
es States und des Rechtes forschte, gelangte er dahin, allmählich de 
gesamten Kreis der Rechtslehre zu durchschreiten, und so wurde er 
um Schöpfer der modernen Wissenschaft vom Natur- und Völkerrecht. 
Da3 Werk De jure belli ac pacis hat drei Bücher. Das erste handelt vo 
er Gerechtigkeit des Krieges überhaupt, von dessen Einteilung in den öffentlichen 
nd den Privatkrieg, von der Souveränität, vom State und dessen verschiedenen 
Formen, endlich von den Statspflichten der Untertanen. =- Das zweite Buch 
erörtert die Veranlassungen zum Kriege, welche das Eigentum betreffen, und 
knüpft daran die Lehre vom Eigentum wie die von den Verträgen, ihrem 
rsprung und Erlöschen. =- Im dritten Buche wird untersucht, was im Kriege 
erlaubt, wa38 verboten sei. Daran schließt sich die Lehre von der Beendi- 
gung des Krieges und von Friedensschlüssen. -=- Überall werden Zeugnisse der 
der Geschichtsschreiber, Dichter und Philosophen zu Rate gezogen und citiert. 
Neue AuSgaben, u. a. von Cocceji (Breölau 1744-- 48) und von Pradier- 
JFoder6 (St. Denis 1867), beste Verdeutschung von v. Kirchmann. (Berlin 1870.) 
Des Grotius Methode ist die induktive. Al3 Recht und Stat erzeugende 
Funktion erscheint ihm die gesellige Natur des Menschen, der appetitus s8ocialis, 
der jedoch nicht nur aus physischer Wechselbedürftigkeit entspringe, sondern auch 
aus dem Wohlwollen gegen andere. Diesem Geselligkeitötriebe des Lo» mwohuruo» 
erwachse das jus naturae, worunter Grote keineSwegs einen utopischen Natur- 
zustand versteht, wie der, aus welchem viele seiner Nachfolger alles Recht a priore 
herleiten wollten; vielmehr hält er sich durchaus an die naturalis ratio, an die 
au3 den realen Verhältnissen hervorgehende Betrachtung. Demgemäß weist er 
sowohl diejenigen ab, welche da meinen, daß der Krieg überhaupt unerlaubt sei, 
als diejenigen, welche wähnen, daß im Kriege alles erlaubt sei. =< IJ 
völferrehtlicher Hinsicht erscheint besonders der Gedanke wichtig, daß 
die Politik eines einzelnen States nimmermehr der naturrechtlichen Freiheit 
und Sicherheit dex andern Völker hindernd in den Weg treten dürfe, daß viel- 
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