968 Des XVII. Jahrhunderts erste Hälfte. I. Allgem. krieg3wissenschaftl. Werke.
mehr die Aufrechterhaltung des allgemeinen Rechtszustandes und der friedlichen
Errungenschaften gegenüber den rohen Naturgewalten wie den zügellosen Leiden-
schaften der Einzelnen der wesentliche Inhalt und Zwe> des Völkerrechtes sei. =-
Wa3 dann das eigentliche Krieg3recht selbst betrifft, so gipfelt das Interesse
an Grotes Werke einerseit3 in der Artikulierung des NeutralitätS5rechtes, anderer-
seits in den Bestrebungen zu Gunsten der Humanisierung des Krieges, namentlich
durch den Versuch, die Anwendung gewisser Waffen auszuschließen. Insofern es
sich dabei um vergiftete Geschosse oder Klingen handelt, stellte der Verf. nur eine
bei den europäischen Völkern seit langer Zeit innegehaltene Praxis fest; aber
insofern er auch Kettenkugeln, Geschosse mit austretenden Armen u. dgl. verbieten
wollte, ging er bereits über die Schranken hinaus, welche derartigen Humani-
sierungsbestrebungen zu ziehen sind. Verbote solcher Art sind zu allen Zeiten
wirkungs3lo38 geblieben. =- Auffallend erscheint es, wenn de Grot es als eine her-
gebrachte, auf stiller Übereinkunft der Völker beruhende Rechtssitte betrachtet, daß
jämtliche StatSangehörige zweier Kriegsparteien „Feinde“ und als solche der
absoluten Willkür des Siegers unterworfen seien. Die einzige völkerrechtliche
Schranke, welche er hier setzt, ist das Verbot, die Frauen zu mißbrauchen. Nach
Grotius hat der Feind durchaus das Recht, auch Privateigentum fortzunehmen
oder zu zerstören, die Kirchen au8zuraüben, ja die Gefangenen in Sklaverei zu
führen. Mit dieser Auffassung von der Allgemeinheit der Feindschaft zwischen
den kriegführenden Staten in schneidendem Widerspruche, doch höchst bezeichnend
für die Zeit der Söldnerheere, welche völlig aus dem Verbande des bürgerlichen
Leben3 lo3gelöst waren, ist de Grotes Auffassung der gegeneinander manövrierenden
Heere al8 „Mandatare“ der kriegführenden Staten, welche die schwebende Streit-
frage allein und selbständig auszufechten hätten, ohne daß die friedlich weiter-
lebenden Völker anders beteiligt wären als durc< Leiden. Beide Auffassungen
erscheinen in ihrer Einseitigkeit verwerflich ; namentlich die letztere Lehrmeinung
hat in der Folge vielfach lähmenden Einfluß auf die Kriegführung gehabt und
daher gerade das Gegenteil dessen bewirkt, was sie beabsichtigte ; denn indem
sie den Kampf auch unter dem rechtlichen Gesicht8punkte auf MietSsheere be-
schränkte, verlangsamte sie ihn, schwächte die Energie des Völkerringens3 , ver-
längerte die Dauer der Kriege und vermehrte da3 damit verbundene Elend.
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Seit Grotius und 3. T. unmittelbar. an ihn anknüpfend, ent-
wickelt sich nun eine massenhafte Literatur über das Kriegsrecht. Nur
auf wenige der hierhergehörigen Werke kann, auch bloß andeutungs-
weise, näher eingegangen werden ; im allgemeinen wird man sich hier
mit einer Aufzählung begnügen müssen.
Joach. Cluten: De jure belli in genere. (Straßbg. 1626.)
Joh. Bachsted : Bericht von recht vnd unrechten Kriegen, Bündnissen u. ]. w.
(Coburg 1628.)
Math. Berengerri: De bello eivili. (Straßbg. 1633.)