5. d. Kur-Brandenburgische und Preußische Heer3gesezze. 1071
aufgebot im Auge, jo namentlich auch der Entwurf einer Defensions-
verfassung vom Jahre 1610 ?).
| In den Monaten Juni und Juli 1610 machte die Regierung nämlich einen
merkwürdigen Versuch, den „Ausschuß“ in den Städten und Ämtern militärisch
zu organisieren und durch wöchentlich stattfindende Übungen namentlich zum
Wachtdienste auszubilden. Graf Wilhelm v. Solms und Oberstlieutenant Otto
v. Brahe wurden beauftragt, eine DefensionSordnung nach dem Muster anderer
Kurfürsten und Fürsten einzurichten, und dabei wird von einem bereits zu Papier
gebrachteng „Entwurf einer Defensionsverfassung“ gesprochen. =- Der Erfolg des
Versuches militärischer Organisation des Aufgebot8 war übrigens sehr gering.
Die Städte erkannten zwar den Nußen der Einrichtung an; aber Wurzel faßte
sie nicht. Das letzte, was man von ihr hört, ist eine wehmütige Klage der
Berliner Bürgerschaft vom 17. November 1610: Einige von ihnen hätte man so
gedrillt, daß sie den Tod davon gehabt; das Schießen sei auch sehr gefährlich ;
denn es erschre>e die schwangeren Weiber, u. dgl. m.
Der Entwurf der Defensionsverfassung scheint verloren gegangen
zu fein; dagegen finden fich unter den Akten des kurfstl. Kanzlers
Christian Distelmeyer, welcher den Herren von Solms und Brahe
als ortsfundiger Vertrauens8mann zugeteilt war, Aufzeichnungen und
Entwürfe über die brandenburgische Landesbewaffnung, die z. T. ganz
unmittelbar nach dem verunglückten Versuche von 1610, 3. T. kurz
vor Dijstelmeyers 1612 erfolgtem Tode niedergeschrieben wurden. In
ersterer Hinsicht handelt es sich um eine „Anzeige“ betitelte Denk
schrift zur Beruhigung und Gewinnung der Gemüter der Untertanen
und um den sog. „Processus“, der bestimmt war, vor der Musterung
den Versammelten vorgelesen zu werden.
Beide Aktenstücke befinden sich im Kgl. Stat3archive zu Berlin. E35 sind
Leitfäden für spätere Fälle, die der Kanzler auf Grund der im Sommer 1610 ge-
machten Erfahrungen niedergeschrieben hat.
Gleich darauf aber ist offenbar des Grafen Johann von Nassau
„Memorial, wie vngefehrlich das Werk der Landrettung ahnzustellen“
[S. 917] in Distelmeyers Hände gekommen, und er verarbeitete dassfelbe
unter Benußung seiner „Anzeige“ und seines „Processus“ zu einem
„Vngefherlich Beden>en, wie ein Potentat ohne sondere
Kosten vndt weitleufftigkeit sein landt könne bewerret
machen (vnd wie solches am Besten in der Chur Marc> geschehen
sonne). “ (Kgl. Bibl. zu Berlin. Ms8. Bor. 4. no. 41.)
1) Meine>e: Reformpläne für die brandenburgische Wehrverfassung zu Anfang des 17. Jhdts.
(Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 1, 425 ff., Leipzig 1888.)