1072 Des XVI. Jayrhunderts erste Hälfte. T11. Truppenkunde.
Die leßten eingeklammerten Worte des Titels sind von einer anderen Hand
hinzugefügt: ein deutliches Anzeichen, daß man es hier zunächst mit einer allge-
meiner gehaltenen Arbeit zu tun habe, wie es eben Johanns „Memorial“ war,
dessen Titel mit dem der Distelmeyer'schen Arbeit so große Ähnlichkeit hat. Die
Verbindung des Grafen mit dem Kurfürsten war nahe genug. Um 1609 hatte
Johann Sigi8mund ihm die Kriegsbestallung in den Jülich'schen Landen an-
geboten, wo Landgraf Moriz von Hessen die politische Direktion übernehmen
sollte. Leßterer aber hatte abgelehnt, und wohl infolgedessen erklärte auch Johann
von Nassau sich nur bedingungsweise bereit, die Kriegsbestallung anzunehmen,
nämlich nur für den Fall, daß Christian von Anhalt sie ausschlagen sollte.
Ich weiß nicht, wie die Dinge sich schließlich ordneten; vermutlich aber ist eben
gelegentlich dieses Briefwechsels u. zw. wahrscheinlich gegen Ende d. J. 1610 das
Memorial Johanns nach Berlin und zu Handen des Kanzlers gekommen, der es
nun auf die besonderen Verhältnisse der Mark anzuwenden suchte. Erkennbar
bilden die Einleitung8worte des nassauischen Sendschreibens den Anfang von
Distelmeyer8 Gutachten. Diese lauten nämlich : „Dur<l. hochgeb. Churfürst vnd
Herr! Als Ew. <. Gnaden anno 610 fürhatte, in derer ansehnlichen Chur-
fürstentumb der Mark Brandenburg die Landes8defension anzurichten, habe ich
solches iederzeit nicht allein für ein nüßlich, sondern auch nothwendiges vor
E. <. G. rühmliches Werk geachtet. Allein es ist der modus procedendi in-
sonderheit a<t zu haben, an welchem damals viell gefeilet, darum es auch
gleichsam in der blueten stecken blieben.“ So schreibt kein Diener an den Herrn,
wohl aber ein Reich8graf an einen Kurfürsten. Daß man es hier jedoch nicht
mit einer unveränderten Arbeit Johanns zu tun hat, geht daraus hervor, daß
dies „Bedenken“ wörtliche Entlehnungen aus Distelmeyers „Anzeige“ und „Bro-
cessus“ enthält, welchen Meinecke daher, gewiß mit Recht, für den Verfasser hält.
Er ist e8; aber allerdings in dem beschränkten Sinne, daß ex die Grundzüge
seiner Arbeit dem Memorial des Grafen entlehnt hat. Dessen Geist und Auf-
fassung begegnen uns auf Schritt und Tritt, namentlich auch in der Wärme,
mit welcher die exercitia Mauritiana (32 Griffe im Spieß und 43 in der
MuzStkete) empfohlen werden. Der Anteil eines brandenburgischen Beamten tritt
dagegen in der außerordentlichen Orts8kenntni3 deutlich hervor, die der nassauische
Graf natürlich nicht besiven konnte. Nicht nur, daß auf den Schaden hin-
gewiesen wird, welchen unbewehrte, geringe Städte, wie Sommerfeld, Züllich,
Reppen, Drossen und Kottbus erlitten, um daran den dringenden Rat zu knüpfen,
in jeder Stadt den dritten, auf dem Lande aber den zehnten Mann zu rüsten
und zu üben; e8 geht vielmehr aus Einzelheiten mit Bestimmtheit hervor, daß
dem Verfasser die Akten des Versuchs von 1610 vorgelegen haben.
Den sachlichen Inhalt der Denkschrift hat schon der Premierlieutenant,
Dr. P. F. Stuhr, in dem ersten (einzig erschienenen) Bande seines Werkes
„Die brandenburgisch-preuß. Krieg8-Verfassung zur Zeit Friedrich Wilhelms des
gr. Kurfürsten“ (Berlin 1819) wiedergegeben, allerdings nicht ohne manche will-
fürliche Anderungen.
1) Akten „Von Kriegs8sachen“ im Marburger Archive.