. Allgemeine Werke aus der Zeit vor dem dreißigjährigen Kriege. 879
Wilh. Ludwig versucht in dieser Arbeit, sich die Anforderungen a
einen großen Feldherrn klar zu machen. Die vorzüglichsten Eigenschaften
eines solchen bestehen, seiner Ansicht nach, in der Kunst, das Lager richtig 3
yählen, es schnell auf und abzuschlagen, mit dem Heere sicher und rasch zu mar
schieren, es geschwind in Schlachtordnung zu stellen, mit dem Feinde erfolgreid
zU schlagen, indem man sich aller Vorteile der Zeit, der Gegend und der Witterung
hedient, in der Kunst, dem Feinde Wege und Verbindungen abzuschneiden, feste
Bläße durc< Blockade, Hunger oder Sturm zu erobern u. |. w. „Wenn solche
Fähigkeiten“ so bemerkt er „mit der Kraft verbunden sind, die eigene Seele 3
beherrschen, so macht sein Beispiel den Truppen einen unauslöschlichen Eindruck
hält sie im Zaum und mildert ihre Sitten. Freundlichkeit bei maßvollem Ernst
Bescheidenheit und rechter Gebrauch des Glücks, gleichmäßige Entfernung vo
| Geiz wie von Verschwendung, Willfährigkeit jedes Gutachten, jeden Bericht auc
de3 geringsten Soldaten gern anzuhören, doch nicht eher zu glauben, bis man
ich überzeugt hat, Zurückhaltung und Verschwiegenheit in Bezug auf geplante,
Unternehmungen, die Kunst, den Gegner zu täuschen bei steter Wahrhaftigkeit,
hrlichkeit , Aufrichtigkeit in alle dem, wa8 Abmachungen, Versprechen, Verträge
nd Kapitulationen betrifft, das sind die Eigenschaften, welche, wenn sie sich i
einem Heerführer zusammenfinden. den wahrhaft großen Feldherrn ma
Offenbart sich in dieser Arbeit Wilhelm Ludwigs von Nassau
die Vereinigung des Studiums des Polybio8 und des Kaisers Le
mehr noch nach der ethischen al8 nach der taktischen Seite hin,
so stand den nassauischen Heerführern diese leztere doch eigentlich im
Vordergrunde ihrer Forschungen. Sie erkannten sehr bald, daß die
Wucht der Masse sich erseßen lasse durch eine zweckmäßige Gliederun
nach der Tiefe (in Treffen) und nach Fronteinheiten (dur
Vervielfältigung der Abteilungen); sie erkannten, daß die Unterstüßun
der Feuerwaffen durch die blanken Waffen erleichtert werde, wen
man gar nicht den Versuch mache, beide in einen Körper zu ver-
<melzen, vielmehr die Sicherung dadurch herbeiführe, daß mehreren
<hüßenabteilungen je eine Abteilung von Spießern als
Anhalt und Unterstüßungstrupp zugewiesen würde, neben
oder hinter dem sie (sei es in der Front, sei es zwischen den Treffen)
ohne Aufgeben ihrer Selbständigkeit und ohne jede Be-
inderung der Piken den gewünschten Schuß finden mochten.
Wie sehr diese ganze Entwickelung Ergebnis des Studium
der Alten gewesen ist, bezeugt beredt der oben [S. 874] mitgeteilte
Brief Wilhelm Ludwigs von Nassau an den Prinzen Moriz, welcher
ezteren als unbedingten Verehrer der römischen (polybianischen) Taktik
darstellt. Wie weit er in dieser Richtung ging, wie lebhaft er wünschte,