Die Musik der Gegenwart.
gerung der Intensität. Die einzelnen Gestalten wachsen dabei wie von
selbst aus der Musik heraus, wie mit dem Meißel reliefartig aus
hartem Stein gehauen. Die musikalische Spannung erreicht hier einen
Grad, den selbst seine früheren Werke nicht kennen. Die Stimmen
laufen in einer Kühnheit zu Dissonanzen zusammen, die jede Tonalität
verwischen, und ihrerseits wieder neue Ausdrucksmöglichkeiten ahnen
lassen. Als Seitenstück zu diesem Werke schafft Strauß 1909 seine
„Elektra“. Das ist nicht die ausgeglichene Tragödie Sophokles'.
Hier ragen die Zyklopenmauern Mykenes empor, und in ihnen Men—
schen von ähnlicher Übergröße in ihren Leidenschaften und Tugenden.
Wie in den symphonischen Werken dem düsteren Ernst von Tod
und Verklärung der lustige Eulenspiegel, so folgt diesen beiden erschüt—
ternden Tragödien in dem „Rosenkavalier“ der lichte Gegensatz.
Mit einer Fülle von blühender, melodischer Schönheit überschüttet er
uns, und das Orchester versetzt uns klanglich in einen Rausch von
Farben und Klängen.
Eigenartig in seiner übermütigen Mischung zweier Handlungen,
der ernsten, tragischen mit der fröhlichen und heiteren, der opera
seria mit der opera buffa, ist, Ariadneauf Naxos“. Weiter noch
interessant durch die Verwendung eines kleinen Kammer—
orchesters mit Soloinstrumenten, Klavier und Harmonium an
Stelle des großen. Diesem Werke folgte die Oper „die Frauohne
Schatten“. Sie enthält große musikalische Schönheiten, scheitert aber
an der Verworrenheit des Textes. Strauß neuestes dramatisches Werk,
sein „Intermezzo“ erlebte seine erfolgreiche Erstaufführung 1924
in Dresden. Ein „modernes Konversationsstück“ nennt er es selbst,
eine „bürgerliche Komödie“, in der er sich selbst und sein Familien—
leben in reizvollster Weise ironisiert. Das musikalische Problem beruht
auf einer bewußten Neubehandlung des Dialogs. Schon in Ariadne
hat er „mit voller Sicherheit den Gesangsstil angeschlagen, der nun im
Intermezzo bis zur äußersten Konsequenz durchgeführt wird. Er
verlangt einen Dialog, der in „sinnvoller Deklamation“ sich ganz dem
Werke anschließt unter der strengen Bedingung, überall deutlich
verstanden zu werden. Der Gefühlslinie folgend, soll die musikali—
sche Linie bei abwechselnder Anwendung von reiner Prosa, Secco- und
pathetischem Rezitativ, in letzter Steigerung sich bis zur gefühlvollen
Kantilene erheben. Das Orchester aber soll diese Klarheit der Diktion
nirgends stören, sondern den Gefühlsinhalt malerisch unterstreichen.
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