Full text: Musikgeschichte, Kulturquerschnitte, Formenlehre, Tonwerkzeuge und Partitur (1. Band)

IV. 
Die Tonwerkzeuge. 
Unter Tonwerkzeugen verstehen wir die Mittel, durch die 
wir es vermögen, die unhörbar in der Seele erklingende Musik zu 
hörbarer Erscheinung zu bringen. Sie zerfallen in zwei große 
Klassen: die menschlichen Stimmen uͤnd die Musikinstru— 
mente. Wie die menschlichen Stimmen sich durch ihre Höhen— 
lage voneinander unterscheiden, so auch die Instrumente in treuer 
Nachahmung der Stimmen. Wir haben hohe und tiefe Stim— 
men, hohe und tiefe Instrumente. In einem aber 
unterscheiden sich beide Gruppen wesentlich, durch die Verschieden— 
heit der Klangfarbe. dem Bestreben, neben der Klang— 
farbe der Stimme auch noch andere Farbenreize zu entdecken, ver— 
danken die Instrumente geradezu ihr Dasein. Dieses Stre— 
ben ist uralt und ebenso alt ist die Kenntnis und Anwendung der 
Grundfarben, aus denen auch wir heute noch unsere farben— 
glühenden, farbenschillernden musikalischen Bilder malen. Im Grunde 
gehen alle diese berückenden Farbentöne auf einige wenige zurück, die 
schon die alten Ägypter und Babylonier tausende Jahre vor Christus 
benutzten: die Farbe der Flöte, die bis heute dieselbe geblieben ist, 
die der Schalmei mit einfachem und doppeltem Rohrblatt besitzen 
wir heute in der Oboe, der Klarinette und dem Fagott. Dann die 
Farbe der Blechbläser, die auch durch die Jahrtausende, wenn 
auch veredelt und differenziert, doch dieselbe geblieben ist. Dazu tritt 
dann die Farbe der schwingenden Saiten, die Bogeninstru— 
mente und als die Instrumente der primitivsten Urzeit die 
Trommeln. Was wir heute gelernt haben ist, diese Grund— 
farben zu mischen, daß sie tausenderlei neue Farbentöne er— 
zeugen. Dem Kinde und ebenso dem primitiven Menschen ist die 
Farbe ein rein sinnlicher Augenreiz, den sie erstreben. Sie kolorieren 
ihre Darstellungen ohne Wirklichkeitssinn. Erst mit steigender Kultur
	        
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