Full text: Musikgeschichte, Kulturquerschnitte, Formenlehre, Tonwerkzeuge und Partitur (1. Band)

Die Notenschrift dieser Zeit. 29 
us Literatur: Peter Wagner, Einführung in die gregoriani— 
er schen Melodien. 1. Teil: Ursprung und Entwicklung der liturgischen Ge— 
— sangsformen, 3. Aufl. 1911; 2. Teil: Neumenkunde, 2. Aufl. 1912; 3 Teil· For⸗ 
menlehre *Dom Joseph Pothtler Der gregorianische Choral 
r⸗ 4881) A. tiense Choralschule Schubiger, Die Sünger⸗ 
schule St. Gallens (1858) (enthält eine große Menge von Sequenzen). 
Denkmäler: Die bedeutendsten alten Kodizes sind in der „Paléogra phie 
musigale“ der Benediktiner von Solesmes in phototypiertem Faksimile 
zusammengefaßt. Von neuen Ausgaben der gregor. Gesänge ist heute allein 
maßgebend die Editio Vaticana (Graduale und Vesperale). 
Die weltliche, einstimmige Musik. 
Troubadour-⸗, Minne- und Meistergesang. 
Neben das Volkslied tritt im 11. Jahrh. zum erstenmal das 
r. Kunstlied als höfisches Erzeugnis der Troubadours. Und wie 
n jenes aus der gregorianischen Sequenz herauswächst, so ist auch der 
g Minnegesang nichts anderes als der ins weltliche übersetzte gregoria⸗ 
nische Gesang, ohne jedoch die Feinheit und Vollendung der kirch— 
lichen Gesänge in Deklamation und Rhythmus auch nur annähernd 
zu erreichen. 
In der Provence war die holde Kunst des Minnedienstes ent— 
standen, genährt von der Romantik der Kreuzzüge und des Orients. 
Von der Provence aus zogen die Troubadours nicht nur durch Frank— 
reich, ihr Sang klang bald in fast allen Ländern wider. Er erobert 
Italien und findet besonders am üppigen Hofe Friedrichs II. be— 
geisterte Aufnahme. überall erstehen ihm Nachahmer, selbst der 
hl. Franz nennt sich einen Troubadour Christi. 
Und nicht nur auf die Dichtung wirkt ihr Lied, auch die Maler 
machen das Ideal weiblicher Schönheit, wie der Troubadour es schil— 
dert, zu dem ihrigen und dichten es in Farben nach. Den deutschen 
Minneliedern gegenüber ist das Lied der Troubadours, eines Adam 
de la Hale, Wilhelm von Poitiers oder Thibaut von 
Navarra, geschlossener, selbständiger und liedförmiger. In vielen 
lebt bereits etwas von der prickelnden Anmut der nachherigen franzö— 
sischen Chansons. 
Auch nach Deutschland dringt von der Provence her der 
ritterliche Frauenkult mit seinem, trotz aller Schwärmerei doch stark 
sinnlichen Charakter. Er findet seinen dichterisch-musikalischen Aus— 
druck im Minnelied, das nun vom 12. —- 14. Jahrh. zur herrschen—
	        
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