Full text: Musikgeschichte, Kulturquerschnitte, Formenlehre, Tonwerkzeuge und Partitur (1. Band)

Die Theoretiker und die ars antiqua. 33 
on Die letzte Art dieser Kunst ist der Fauxbourdon (falso 
ros bordone), so genannt, weil die Melodie selbst den Baß bildet, also die 
wirkliche Stühe des Grundbasses fehlt. Zu diesem falschen Baß treten 
mit Vorliebe Terzen und Sexten. 
Neben Hucbald ist es besonders Guido von Arezzo, der das 
Organum in seinem Micrologus behandelt und weitergebildet hat. Auf 
ihn wird auch die Benennung der Töne durch die Silben ut re mi 
slt. sol la zurückgeführt, die einem Hymnus auf den hl. Johannes ent⸗ 
im nommen sind Er war es, der zuerst aus der Gesamtreihe der Töne 
m Leitern von 6 Tönen herausschnitt, Hexachorde. Dieses Hexachord— 
ng system hat das ganze Mittelalter hindurch bis in die neuere Zeit 
r theoretisch eine große Rolle gespielt. 
— Der weitere Ausbau der Mehrstimmigkeit im 13. u. 14. Jahrh. 
ste knüpft an die Namen Garlandia, Franco von Köln, Franco von 
ler Paris u. Johannes de Muris (England) an, die die Gesetze dieser neuen 
die Kunst theoretisch entwickeln. Es sind die ersten Versuche einer 
det freien, mehrstimmigen Kunst, die wir als Krsantiqua bezeichnen. 
zu In dem Condugtus, und dem Motetus mit gregorianischem 
oder weltlichem Cantus firmus zeigt diese Kunst bereits feste, charak— 
teristische Formen. Ihre Heimat hat sie zuerst in England und Frank— 
reich, erst später erscheint sie in Italien und Deutschland. 
Vor allem wurde es nun (um 1250) notwendig, wenn mehrere 
Sänger verschiedene Stimmen zugleich vortrugen, daß sie sich über 
ein bestimmtes Maß einigten. Der freie Rhythmus der Rede, 
— wie ihn der gregorianische Gesang zeigte, konnte hier nicht mehr be— 
stehen. Solange man in den Stimmen Note gegen Note sang, ging 
es noch an. Sobald man aber anfing, zu einer Note in der einen 
Stimme in der andern zwei oder mehrere zu singen, konnte das nur 
geschehen, wenn man sich vorher über ein genaues Maß einigte. Man 
verfuhr nun so, daß man die vorhandenen Notenbilder, die Neumen, 
beibehielt, ihnen aber ganz bestimmte Werte unterlegte. Die Virgan 
wird zur Longa und gilt doppelt so lang wie die Brevis n; » wird 
der zur Semibrevis gleich der halben Brevis. Die Teilung wird noch 
mne weiter fortgesetzt. Dann tritt an Stelle der geschlossenen die offene 
die Note d 4S0 usw. 
Die Musik aber, in der die Noten derart nach einem bestimmten 
ar, Maß gemessen werden, nennt man Mensuralmusik, d. i. ge— 
messene Musik. 
Volbach, Handbuch der Musikwissenschaften. J.
	        
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