Full text: Musikgeschichte, Kulturquerschnitte, Formenlehre, Tonwerkzeuge und Partitur (1. Band)

Meister der Niederländer. 45 
sonnigen Italien zog, ist vor allem Adrian Willaert zu nennen, 
der nach manchen Fahrten 1527 in Venedig festen Fuß faßte 
und dort zum Kapellmeister an S. Marco ernannt wurde. Er 
vird der Gründer der Venetianischen Schule. Die goldene 
Pracht des Domes, das pomphafte Zeremoniell, der fürstliche Glanz 
verlangten auch von der Musik die Entfaltung höchster Pracht. Dazu 
kam die Choranlage mit zwei Orgeln, die den Weg der Steigerung an— 
gab. Statt den Chor durch Zunahme realer Stimmen zu vermehren, 
stellte man auf jede Seite einen eigenen Chor. Beide Chöre wirkten 
so gegen- und miteinander, bald wechselnd, bald sich verschlingend zu 
mächtigem Zusammenklang. Willaerk war es, der zuerst solche Do p⸗ 
pelchöre verwandte. Er hat damit den Grund gelegt zu den ge— 
waltigen Chorbauten der Venetianer, der beiden Gabrielis vor allem, 
von denen der ältere, Andrea, sein Schüler war. 
Literatur: Mit besonderer Liebe hat Ambros in seiner Musikgeschichte Band 3 
die Schule der Niederländer behandelt. Van der Straeten, La musique aux 
Pays-Bas avant le XIX. siecle. (8 Bände 1867 -1888.) — Biographisches über 
Orlandus Lassus: Delmotte, Biogr. Notizen über Roland de Lattre, übersetzt von 
S5. Ww. Dehn (1837); Declève, Rolaud de Lassus, sa vie et ses oeuvres (1894), 
Closson, R. de Lassus (1919; van den Borren, Orlande de Lassus (1920). 
*Bäumker, O. Lassus (1878). Sandberger, Beiträge zur Geschichte der baye— 
rischen Hofkapelle unter Orlando di Lasso. 3 Bände (1894 - 95). Von Bedeutung 
sind die Vorreden in den bereits erschienenen Bänden der großen Lassus-Ausgabe. 
Denkmäler: F. Commer, Colleetio operum musicorum Batavorum (12 
Bände); *Proske, Musica divina; Gesamtausgabe der Werke des Orlando 
Lasso (och unvollständig; auf 60 Bände berechnet); H. Bäuerle, Praktische 
Neuausgaben. 
Die Musik in Italien. 
Die Venelianische Schule. 
Mit Andrea Gabrieli (1510 —1586) tritt Italien die Herrschaft 
in der Musik an. Die Venezianische Musik, welche, wie Ambros sagt, 
„eine Zukunft zu erleben hatte, entwickelte sich in dem National— 
heiligtum der Markuskirche. In einem mit so überschwenglichem 
Luxus an Marmor und Gold ausgestatteten Tempel sollte ent— 
sprechend reicher Gesang ertönen“. Das wird in Andrea zur Tatsache. 
Glänzende Klangfülle und Farbenschönheit ist über seine Werke, 
besonders die mehrchörigen, ausgebreitet, wie man es vorher nicht 
gekannt. Der silberschillernde, eigenartige, reiche Farbenschmelz, der
	        
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