Full text: Musikgeschichte, Kulturquerschnitte, Formenlehre, Tonwerkzeuge und Partitur (1. Band)

69 Der neue Stil in Italien. 
lich, daß das Werk szenisch aufgeführt worden, gleichsam als geistliche 
Oper. Beide Kunstgattungen laufen noch durcheinander. Steffano 
Landis „San Alessio“ hat sicherlich mehr oratorischen als Operncharak— 
ter. Einen Schritt vorwärts zur Selbständigkeit tut Carissimi (1604 — 
1674) in seinem Oratorium „Je phta“. Auch A. Caldara (1678— 
1736), und Em. d' Astorga (1681 1736), mit seinem berühmten 
„Stabatmatéer“ gehören hierher. Aber erst Händel ist es, der die 
oratorische Form vollständig selbständig neben die Oper stellt. 
Mit der wachsenden Bedeutung der instrumentalen Begleitung 
wächst die instrumentale Kunst zu immer größerer Selbständig— 
keit. Schon die ersten Opern verlangen instrumentale Einleitungen, 
kurze Intraden oder Sinfonien, innerhalb der Werke aber er— 
scheinen Tänze und Märsche in reichem Maße. Vorbilder für 
letztere waren ja in Fülle aus dem vorhergehenden Jahrhundert vor— 
handen. 
Wie sich diese Ansätze nach und nach zu größeren, ausgebildeten 
instrumentalen Formen erweitern, das soll weiter unten besonders ge— 
schildert werden. 
Was diese Kunst charakterisiert, ist ihr Aufbauen auf einem in— 
strumentalen Baß, dem Basso continuo oder Generalbaß. 
Gleichviel ob es sich um ein vokales oder instrumentales Stück handelt, 
der Generalbaß fehlt nie. Das geht soweit, daß man selbst älteren 
a cappella-Stücken, Werken Palestrinas u. a. nachträglich eine solche 
instrumentale Unterlage gibt. Zur Ausführung des Basso continuo 
dienen je n ach Bedürfnis einmal die reinen Baßinstrumente, wie 
Kontrabaß, Violoncello und Fagott, dann Orgel 
Klavier, Laute und Harfe. Letztere haben die Aufgabe, neben 
dem Baß die meist durch Zahlen vorgeschriebenen Har monien zu 
spielen. Während bei größeren Chor- oder Orchesterstücken oft alle die 
genannten Instrumente in der Darstellung des Continuo zusammen— 
wirken, beschränkt sich ihre Zahl bei anderen kleineren Formen be— 
deutend. Die Kammerwerke und die meisten Sologesangstücke be— 
gnügen sich mit dem einfachen Cembalo und einem Baßinstrument. 
Während die Kunst bis 1600 als ein großes Ganzes noch einheit— 
lich zu übersehen und zu schildern ist, tritt, wie wir sehen, mit dem 
17. Jahrh. eine Teilung in verschiedene Hauptzweige ein, die alle ihre 
eigene Entwicklung haben, und die wie Strahlen von einem Punkt aus— 
gehend, sich trennen. So tritt neben die Entwicklung des Vokalen die 
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