Heinrich Schütz. 63
ist das bewußte Hereintragen der neuen deklamatorischen Ideen in
den Chor. Er habe die Psalmen, so sagt Schütz in der Vorrede, „auff
Italienische Manier“ komponiert, wie er es von seinem „hochbe—
rühmten Praeceptore Herrn Johann Gabrieln“ bei seinem Aufenthalt in
Italien gelernt habe. Sie seien im stilorecitativo komponiert,
welcher bis dato in Deutschland fast unbekannt sei, „wie sich dann zur
composition der Psalmen, meines erachtens fast keine bessere Art
schicket, dann daß man wegen Menge der Wort ohne vielfältige repi—
tiones immer fort recitire“. Aus demselben neuen Geiste heraus sind
die wundervollen Cantiones sacrae für 4 Singstimmen mit General—
baß geboren. Sie atmen den „dolce stil nuovo“ der italienischen Ma—
drigale dieser Zeit. Leider ist die Musik zu seiner Oper „Daphne“ ver—
lorengegangen. Wie er aber den dramatischen Stil handhabt, das zeigen
uns seine pratorischen Werte: Die Historia der fröh—
lichen und liegreichen Auferstehung Jesfu Christi
(1623), die 7 Worte unseres lieben Erlösers und das
Weihnachtsoratorium. Inden 4Passionen hält Schütz die
ältere kirchliche Form bei. Die Erzählung des Evangelisten und die
Reden der Einzelnen werden im rezitierenden Lektionston ohne Be—
gleitung vorgetragen, während die Menge durch den Chor dargestellt
wird, der ebenfalls a cappella singt. Dabei sind aber diese Chorszenen
voll dramatischen Lebens und voll leidenschaftlicher Erregung. Von
hier aus führt der Weg direkt zu J. S5. Bach, als dessen Vorläufer
Schütz hier erscheint. — Schütz, der 1585 zu Köstritz geboren wurde,
weilte von 1617 andauernd in Dresden als Kapellmeister des Kur—
fürsten Johann Georg. 87 Jahre alt starb er 1672 in Weißenfels. —
Unter den Meistern, die neben Schütz, meist als biedere Kantoren
Werke für die Kirche schufen, ist Andreas Hammerschmidt (1612
1675) einer der interessantesten. Seine Motetten zeigen schon die be—
wußte symmetrische Gliederung durch wiederkehrende, breit harmo—
nische Choralthemen, während die bewegteren Zwischenteile sich kontra—
punktisch aus kurzen, prägnanten Motiven, unter Vorliebe für die
Sequenz entwickeln. Die Flächenkunst der Alten beginnt immer deut—
licher sich zu einer aus einem Kerne herauswachsenden Höhenkunst zu
entwickeln.
Weniger neu, aber von wundervoller Reinheit des Satzes ist
J. Rosenmüller (16201689), besonders in seinen Messen. Kaspar
Kerll (1627 - 1693), der Schüler Carissimis, verleugnet doch in seiner