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bei Natrium und Kalium, deren Chloride in der Flamme verknistern, nimmt man
meist die kohlensauren Salze, In’ neuerer Zeit zeigte MITSCHERLICH, dass auch
Metallverbindungen ein ihnen eigenthümliches Spectrum aufweisen können, und
dass die oben angeführte Gleichmässigkeit. des Spectrums verschiedener Verbin-
dungen eines Metalles nur davon herrührt, dass die Verbindungen in der Flamme
sich sofort zersetzen, und dann das Spectrum des Metalles jenes der anderen
Stoffe überstrahlt, während die Spectra gleichzeitig vorhandener Metalle sich ohne
Störung übereinanderlagern. Genaue Verzeichnisse der Linien, welche im Speetrum
der bisher untersuchten Substanzen entdeckt wurden, finden sich in jedem aus-
führlicheren Werk über Speecetralanalyse (s. Schluss d. Artikels).
Noch wichtiger als die Untersuchung der Linienspectra glühender Dämpfe, die
man auch unter dem Namen Emissionsspectra zusammenfasst, wurde die
Untersuchung der Absorptionsspectra, wie sie entstehen, wenn Licht, das für
sich allein ein continuirliches Spectrum liefern würde, z, B. das Licht einer Lampen-
flamme, durch eine absorbirende Substanz geht und dann in ein Speetrum aus-
gebreitet wird. Während die Herstellung der Emissionsspectra immer eine höhere
Temperatur erfordert, bei welcher viele Körper und insbesondere organische sich
zersetzen, genügt zur Entwicklung von Absorptionsspectra die gewöhnliche Tem-
peratur, und nur für die Untersuchung von Dämpfen ist eventuell eine Er-
wärmung nöthig. Absorptionslinien zeigen sich allerdings nur beim Durchgang
des Lichtes durch Gase, doch sind die verwaschenen Bänder, welche bei An-
wendung fester oder flüssiger Körper auftreten, nicht weniger charakteristisch
für die vom Lichte durchsetzte Substanz. So zeigt z. B. das Absorptionsspectrum
des normalen Blutes zwei dem Oxyhämoglobin (s. Blut, Bd. II, pag. 329)
zukommende Absorptionsstreifen zwischen den FRAUNHOFER’schen Linien D und £,
welche Streifen nach der Behandlung mit reducirenden Substanzen sich in einen
zusammenziehen, die aber auch dann getreunt bleiben, wenn im Blut Kohlenoxyd-
hämoglobin vorhanden ist. Als zweites Beispiel möge das Chlorophyll dienen, das
vier Absorptionsbänder enthält (s. Bd. III, pag. 87). Wohl ändern sich die. Ab-
sorptionsspeetra sehr bedeutend je nach der Concentration der Lösung, der Dicke
und Temperatur der durchstrahlten Schicht, doch bleiben dabei immer gewisse
charakteristische Eigenschaften aufrecht. Die Betrachtung der Absorptionsspectra
ermöglicht aber nicht nur ein Erkennen der Substanz, ihrer Verunreinigung und
Verfälschung , sondern gibt auch die Grundlage ab zu einer quantitativen
Analyse, in Bezug auf welche aber auf die Specialwerke (z. B. VIERORDT, Die
quantitative Spectralanalyse. Tübingen 1876) verwiesen werden muss.
Welche Bedeutung die Speetralanalyse seit ihrer Entdeckung durch BUNSEN
und KIRCHHOFF (1860) gewonnen hat, möge ein kurzer Ueberblick über die
grosse Zahl von Anwendungen darthun, welche sie seither auf allen möglichen
Gebieten. des Wissens gefunden. Ausser zur raschen Erkennung des Vorhanden-
seins selbst unglaublich geringer Spuren von Substanzen (!/3,90000 Mg Natrium
reproducirt z. B. noch die Natriumlinie) diente sie zur Entdeckung einer grossen
Anzahl von Elementen, und ermöglicht ein genaues Studium und die Ueberwachung
des Verlaufes chemischer Processe (es möge nur auf die Bessemerstahlbereitung
hingewiesen werden); das Absorptionsspecetrum liefert die Mittel zur Erkennung
und Prüfung, ja sogar qualitativen Bestimmung aller möglichen Substanzen; die
Spectralanalyse gab. Anlass zur Entstehung eines neuen Zweiges der Physik und
Astronomie, der Astrophysik, indem sie einen Einblick in die Constitution der
Himmelskörper, über die Bewegung derselben und über das Vorkommen von
Gasströmungen an ihrer Oberfläche gestattet, und auch die Meteorologie dankt ihr
manch wichtigen Aufschluss über die Vorgänge in der Atmosphäre, wobei nur
die Auffindung des Regenbandes im rothen Theil des Sonnenspectrums angeführt
werden soll.
Literatur: Angström, Recherches sur .le spectre solaire. Berlin 1869. — Kayser
H.; Lehrbuch der Spectralanalyse, Berlin 1883. — Kirchhoff, Untersuchungen über das