Full text: Salpetersäure - Thonschiefer (9. Band)

356 SPECTRALANALYSE, 
bei Natrium und Kalium, deren Chloride in der Flamme verknistern, nimmt man 
meist die kohlensauren Salze, In’ neuerer Zeit zeigte MITSCHERLICH, dass auch 
Metallverbindungen ein ihnen eigenthümliches Spectrum aufweisen können, und 
dass die oben angeführte Gleichmässigkeit. des Spectrums verschiedener Verbin- 
dungen eines Metalles nur davon herrührt, dass die Verbindungen in der Flamme 
sich sofort zersetzen, und dann das Spectrum des Metalles jenes der anderen 
Stoffe überstrahlt, während die Spectra gleichzeitig vorhandener Metalle sich ohne 
Störung übereinanderlagern. Genaue Verzeichnisse der Linien, welche im Speetrum 
der bisher untersuchten Substanzen entdeckt wurden, finden sich in jedem aus- 
führlicheren Werk über Speecetralanalyse (s. Schluss d. Artikels). 
Noch wichtiger als die Untersuchung der Linienspectra glühender Dämpfe, die 
man auch unter dem Namen Emissionsspectra zusammenfasst, wurde die 
Untersuchung der Absorptionsspectra, wie sie entstehen, wenn Licht, das für 
sich allein ein continuirliches Spectrum liefern würde, z, B. das Licht einer Lampen- 
flamme, durch eine absorbirende Substanz geht und dann in ein Speetrum aus- 
gebreitet wird. Während die Herstellung der Emissionsspectra immer eine höhere 
Temperatur erfordert, bei welcher viele Körper und insbesondere organische sich 
zersetzen, genügt zur Entwicklung von Absorptionsspectra die gewöhnliche Tem- 
peratur, und nur für die Untersuchung von Dämpfen ist eventuell eine Er- 
wärmung nöthig. Absorptionslinien zeigen sich allerdings nur beim Durchgang 
des Lichtes durch Gase, doch sind die verwaschenen Bänder, welche bei An- 
wendung fester oder flüssiger Körper auftreten, nicht weniger charakteristisch 
für die vom Lichte durchsetzte Substanz. So zeigt z. B. das Absorptionsspectrum 
des normalen Blutes zwei dem Oxyhämoglobin (s. Blut, Bd. II, pag. 329) 
zukommende Absorptionsstreifen zwischen den FRAUNHOFER’schen Linien D und £, 
welche Streifen nach der Behandlung mit reducirenden Substanzen sich in einen 
zusammenziehen, die aber auch dann getreunt bleiben, wenn im Blut Kohlenoxyd- 
hämoglobin vorhanden ist. Als zweites Beispiel möge das Chlorophyll dienen, das 
vier Absorptionsbänder enthält (s. Bd. III, pag. 87). Wohl ändern sich die. Ab- 
sorptionsspeetra sehr bedeutend je nach der Concentration der Lösung, der Dicke 
und Temperatur der durchstrahlten Schicht, doch bleiben dabei immer gewisse 
charakteristische Eigenschaften aufrecht. Die Betrachtung der Absorptionsspectra 
ermöglicht aber nicht nur ein Erkennen der Substanz, ihrer Verunreinigung und 
Verfälschung , sondern gibt auch die Grundlage ab zu einer quantitativen 
Analyse, in Bezug auf welche aber auf die Specialwerke (z. B. VIERORDT, Die 
quantitative Spectralanalyse. Tübingen 1876) verwiesen werden muss. 
Welche Bedeutung die Speetralanalyse seit ihrer Entdeckung durch BUNSEN 
und KIRCHHOFF (1860) gewonnen hat, möge ein kurzer Ueberblick über die 
grosse Zahl von Anwendungen darthun, welche sie seither auf allen möglichen 
Gebieten. des Wissens gefunden. Ausser zur raschen Erkennung des Vorhanden- 
seins selbst unglaublich geringer Spuren von Substanzen (!/3,90000 Mg Natrium 
reproducirt z. B. noch die Natriumlinie) diente sie zur Entdeckung einer grossen 
Anzahl von Elementen, und ermöglicht ein genaues Studium und die Ueberwachung 
des Verlaufes chemischer Processe (es möge nur auf die Bessemerstahlbereitung 
hingewiesen werden); das Absorptionsspecetrum liefert die Mittel zur Erkennung 
und Prüfung, ja sogar qualitativen Bestimmung aller möglichen Substanzen; die 
Spectralanalyse gab. Anlass zur Entstehung eines neuen Zweiges der Physik und 
Astronomie, der Astrophysik, indem sie einen Einblick in die Constitution der 
Himmelskörper, über die Bewegung derselben und über das Vorkommen von 
Gasströmungen an ihrer Oberfläche gestattet, und auch die Meteorologie dankt ihr 
manch wichtigen Aufschluss über die Vorgänge in der Atmosphäre, wobei nur 
die Auffindung des Regenbandes im rothen Theil des Sonnenspectrums angeführt 
werden soll. 
Literatur: Angström, Recherches sur .le spectre solaire. Berlin 1869. — Kayser 
H.; Lehrbuch der Spectralanalyse, Berlin 1883. — Kirchhoff, Untersuchungen über das
	        
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