Full text: Gedanken über Tod und Unsterblichkeit (3. Band)

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versinnlicht, veranschaulicht, vermenschlicht und so indirect die Nothwendig— 
keit und Wahrheit der Sinnlichkeit ausspricht. Die am Schlusse in der 
Gestalt des Weibes plötzlich auftauchende und wider den Geist sich aufleh— 
nende Sinnlichkeit ist daher gar nichts Andres, als die personificirte und 
verobjectivirte, in ein Wesen der Anschauung verwandelte Sinnlichkeit der 
Philosophen. Sinnliches Denken findet seinen Schluß nothwendig in 
einem sinnlichen Wesen. Wer nicht nur in seiner philosophischen Ein— 
siedelei für sich oder höchstens seine Herren Collegen, sondern auch 
für Andere denkt, für Die denkt, die nicht seines Gleichen sind, der 
kommt nothwendig auf ein andres, von sich unterschiednes 
Wesen, in dem er den gegenständlichen Ausdruck seines eignen Wesens 
erblickt, nothwendig zuletzt dahin, daß er an die Stelle der Identität 
von Denken und Sein, die nichts Andres ausdrückt, als die 
Identität des Denkens mit sich, und sich daher immer nur in einem sich 
selbst gleichen, identischen Subject vergegenständlicht, es heiße nun das 
Absolute schlechtweg, oder Gott, Dreifaltigkeit, Ich, Substanz, die 
Identität von Ich und Du, den Communismus setzt, der Phi— 
losophie des Aberglaubens (denn das innerste Wesen des Aberglaubens 
ist die Identität von Denken und Sein*) die sich daher auch zur Recht— 
fertigung jeden Unsinns bereitwillig verstanden und in dem Delirium 
tremens der Berliner Offenbarungsphilosophie ihren sinnvollen Schluß 
gefunden hat) das unzweideutige, menschenfreundliche Licht der Sinne, 
der Wahrheit der Philosophie, Speculation und Religion überhaupt 
die Wahrheit des Lebens entgegensetzt. Was ich daher bereits 
in den Aphorismen und Distichen unter dem Bild des Weibes, der 
Liebe, d. h. als Poet aussprach, das habe ich erst viele Jahre nachher 
als Philosoph, als Denker, d. h. als philiströser Prosaiker ausgesprochen. 
*) Die Identität von Denken und Sein ist allerdings historisch vollkommen 
gerechtfertigt, auch ist sie, richtig gefaßt, ein subjectives, ästhetisches Princip, aber 
schlechtweg als ein universelles Princip ausgesprochen, ist sie das Princip des politi— 
schen Despotismus, des religiösen Aberglaubens und speculativen Wesens.
	        
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