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noch Hölle und ist gleich eins, wenn ein Mensch dahin stirbt, als wenn
ein Baum umfället, oder als eine Kuhe, wenn sie stirbet, so ists Alles
aus. So laßt uns guter Dinge sein, fressen und saufen, denn morgen
sind wir todt, wie St. Paulus sagt 1. Cor. 18.“ Wir haben in die—
sem Ausspruch Luthers einen eclatanten Beweis von der Rohheit
des Christenthums, welches nur im Jenseits den Unterschied zwischen
dem Menschen und der Kuh, zwischen Essen und Fressen, Trinken und
Saufen findet. Aber nicht nur roh, auch thöricht ist der Schluß, den
das Christenthum aus der Sterblichkeit des Menschen zieht. Eben
deßwegen weil wir morgen todt sind, wollen wir uns nicht schon heute
zu todt saufen und fressen; eben deßwegen, weil wir nicht immer leben,
wollen wir uns nicht durch „Huren und Buben, Rauben und Mor—
den“, wie eben Luther sagt, gegenseitig das Leben nehmen, nicht durch
Thorheit und Bosheit uns das Leben verbittern. Und eben weil der
Mensch seinen Tod voraussieht und vorausweiß, so unterscheidet sich
der Mensch, ob er gleich eben so gut stirbt, wie das Thier, dadurch von
dem Thiere, daß er den Tod zu einem Gegenstande selbst seines Willens
erheben kann. Ich muß sterben, aber ich muß nicht nur, ich will auch
sterben. Was in meiner Natur, in meinem Wesen begründet ist, das
steht ja nicht im Widerspruch und Gegensatz mit mir, das ist mir kein
feindliches Wesen; wie sollte sich also mein Wille dagegen sträuben?
Nein! mein Wille sei einig mit meinem Wesen, der Tod also als Folge
meines Wesens eine Sache meines Willens, so gut wie jede andere
Naturnothwendigkeit. Schämt sich der Christ des Todes als eines
thierischen Actes, so schäͤme er sich auch des Zeugungsactes und begebe
sich statt in das Ehebett in ein Karthäuserkloster. Ist der Tod unter
der Würde des Christen, so ist auch der Zeugungsact, so ist überhaupt
der Mensch unter der Würde des Christen. Ein himmlisches, gött—
liches Wesen stirbt nicht, aber es zeugt auch keine Kinder. Also füge
sich der Christ entweder in die Nothwendigkeit des Todes, verzichte auf
die Unsterblichkeit, oder bekenne, daß er nur im Widerspruch mit seinem
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