Full text: Gedanken über Tod und Unsterblichkeit (3. Band)

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christlichen unsterblichen Wesen dem Kloster des Katholicismus ent— 
sprungen ist. Daß aber der Tod nicht im Widerspruch mit dem Wesen 
des Menschen steht, daß folglich die christliche Unsterblichkeit, also das 
Wesen des Christenthums überhaupt nur auf den Zwiespalt und Wider⸗ 
spruch des menschlichen Bewußtseins und Willens mit dem menschlichen 
Wesen, wie ich eben mich ausdrückte, gegründet ist, davon haben wir 
einen Beweis an den Greisen, bei welchen man „meist keine Furcht vor 
dem Tode*), oft ein aufrichtiges Verlangen nach demselben findet, das 
durch Marasmus wie bei Kant selbst zu einem ungeduldigen Sehnen gestei⸗ 
gert werden kann.“**) Diesem ungeduldigen Sehnen Kants lag aber 
nicht etwa das Verlangen nach dem Jenseits zu Grunde, denn kurz vor 
seinem Tode antwortete er auf die Frage: was er sich von der Zukunft 
verspreche? „nichts Bestimmtes“ und ein andermal: „von dem 
Zustand weiß ich Nichts.“ Sehr wahr und schön ist daher, was 
Cicero am Schlusse seiner Schrift de Senectute sagt: Quodsi non 
sumus immortales futuri, tamen exstingui homini 
suo tfempore optabile est. Nam babet natura, ut aliarum 
omnium rerum, sic vivendi modum, senectus autem peractio 
aetatis est tangam fabulae, cujus defatigationem fugere debemus, 
praesertim adjuncta satietate. 
„Die Tscheremissen . ... bekannten, daß sie nicht würdig seien, 
zu einem andern Leben erhoben zu werden.““ Sollten wir aber nicht 
sammt und sonders so ehrlich sein, zu bekennen, daß wir eines andern 
Lebens unwürdig sind? Wie bringen wir denn dieses Leben zu? in 
langweiligen Gesellschaften, in kleinlichen Stadtklatschereien, in politi— 
) Uebrigens ist die Furcht vor dem Tode gar kein Beweis von dem Widerspruch 
des Todes mit dem Wesen des Menschen, denn diese Furcht beruht bei den Menschen 
oft auf den allerthörichtsten Vorstellungen. 
*) Burdach: Physiologie III. B.
	        
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