Full text: Gedanken über Tod und Unsterblichkeit (3. Band)

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Leben des Geliebten nehmen lassen, wie den Tod, die schrecklichste Ver— 
neinung sich gefallen lassen, anerkennen? Aber es ist nur Selbsttäu⸗ 
schung, wenn wir glauben, in diesem Kampfe unseres Herzens mit dem 
Tode für den Todten zu streiten — wir kämpfen nur für uns selbst; 
wir denken, was uns drückt, drücke auch den Todten, wir befreien ihn 
daher von den Banden des Todes nur, um uns selbst von den Banden 
des Schmerzes zu befreien. Wir bedenken nicht, daß wir mit unsern 
Unsterblichkeitsbeweisen viel zu spät kommen, daß wir den Todten ja 
vor unsern Augen haben that- und machtlos sterben, also den schwer— 
sten, sauersten Act, den Sterbeact bestehen lassen, der Todte jetzt aber 
keine Bedürfnisse, folglich auch nicht das Bedürfniß des Lebens mehr 
hat; wir bedenken nicht, daß es nur einen einzigen Beweis der Unsterb— 
lichkeit giebt — und dieser heißt und ist: Nicht sterben. Wir sind 
daher in unsern Unsterblichkeitsbeweisen, unsern Kämpfen für das Leben 
geliebter Todten wahre Don Quijote; wir kämpfen gegen einen blosen 
Schatten, kämpfen gegen den Tod und lassen doch unsere Geliebten 
sterben; wir kämpfen also nicht gegen das wahre Uebel, sondern ein 
Scheinübel, ein Uebel nur in unsrer Einbildung, in unserm Sinne, 
aber nicht im Sinne der Todten. Wenn daher eine allmächtige Liebe 
existirte, so wäre der Beweis ihrer Existenz nur dieser, daß sie den Men— 
schen nicht sterben ließe. Die Allmacht, die erst nach dem Tode wieder 
den Menschen ins Leben ruft, ist nur die Allmacht der menschlichen Ein— 
bildungskraft. 
Endlich ist auch noch zu bemerken, daß der auf das Bedürfniß des 
Wiedersehens gestützte Unsterblichkeitsgrund nur auf eine particuläre 
Unsterblichkeit führt; denn es giebt unzählige Menschen, die dieses Be— 
dürfniß nicht fühlen, vielmehr statt des Wunsches des Wiedersehens 
der lieben Freund-⸗, Vetter- und Gevatterschaft, den Wunsch des Nicht— 
mehrsehens haben. Es sind nur die innig sich Liebenden, die den Tod 
schmerzlich empfinden, und selbst diese würden doch auch in der Unsterb— 
lichkeit nicht ihre Wünsche befriedigt finden; denn die Liebe will den 
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