Full text: Gedanken über Tod und Unsterblichkeit (3. Band)

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dem Standpunkt der Russen. Der Bojar oder Czar vielmehr ist der 
Geist, der Unterthan oder gemeine Russe der Leib. Aber wie die Ma— 
jestät des Czaren nur in der Meinung und Einbildung des Russen, so 
existirt auch die Majestät des Geistes nur in der Einbildung der Men— 
schen und ihrer Unwissenheit von seinem wahren Wesen. Der gemeine 
Russe weiß Nichts von der Geschichte seines Czaren, weiß nicht, daß 
sich die Majestät zuletzt auf einen Schweinehirten oder sonst ein anderes 
Wesen seines Gleichen reducirt; er macht daher in dieser seiner Un— 
wissenheit von den geschichtlichen Bedingungen der Majestät den Czaren 
zu einem Geschöpf seiner Einbildung, zu einem Wesen von Gottes 
Gnaden; und der Spiritualist weiß Nichts von der Chronique scanda- 
leuse des Geistes*), Nichts von der natürlichen Entstehungsgeschichte 
aller seiner supranaturalistischen Phantasmen und Abstractionen, Nichts 
von seiner Identitaät mit dem gemeinen, sinnlichen Wesen des Menschen; 
er macht ihn daher zu einem Wesen von Gottes Wesen, d. h. zu einem 
Wesen, das nur der menschlichen Abstraction, Einbildung und Un— 
wissenheit sein Dasein verdankt. Der Russe weiß Nichts davon, daß 
der Czar nicht des Czaren, sondern des Russen wegen, der Mensch nicht 
des Staates, sondern der Staat des Menschen wegen da ist, daß die 
Majestät nur deßwegen heilig gesprochen wird, damit Leben, Person 
und Eigenthum des gemeinen Russen heilig sei, daß der Glanz der 
Majestät also kein eigenes, sondern erborgtes, abgeleitetes Acht ist; und 
der Spiritualist weiß Nichts davon, daß der Mensch nicht des Geistes, 
sondern der Geist des Menschen wegen da ist, daß das sinnliche Wesen 
nicht ein Attribut oder gar Anhängsel des Geistes, sondern der Geist 
*) Als einst ein Anatom die Lage der Gebärmutter zeigte, sagte er: „Hier lasset 
uns bespiegeln, wir Menschen, die wir mit unserer adeligen Ankunft prangen und mei— 
nen, wir seien besser als andere, hier ist unsere erste Wohnung zwischen Harn und 
Koth.“ Ja hier lasset Euch bespiegeln, Ihr vornehmen, zimpferlichen Spiritualisten, 
die Ihr den natürlichen Ursprung des Menschen, die materielle, sinnliche Genesis des 
Geistes zu despectirlich findet, und Euch daher für uranfängliche Herren von Gott eder 
Geist haltet! 
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