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solches Gefüͤhl ist das Gefühl des Seins, das Gefühl, daß Du bist.
Aber wie kannst Du fühlen, daß Du sein wirst? Die Zukunft ist ja
nicht; sie ist nur Gegenstand der Einbildung. Und wie nun gar fühlen,
daß Du nach dem Tode sein wirst? Zwischen Deiner gegenwärtigen
und zukünftigen Eristenz steht ja eben der Tod in der Mitte. Wie
willst Du durch diese Scheidewand hindurch fühlen? Es ist daher nur
die Vorstellung, die Einbildung und Reflexion, die Dir auch nach und
trotz dem Tode eine Existenz vormalt, die nun freilich, als ein Gegen⸗—
stand der Einbildung auch ein Gegenstand Deines Gefühls ist. Aber
eben weil dieses Gefühl nur ein Erzeugniß Deiner Einbildung und
Reflexion ist, hat es keine Gültigkeit und Autorität. Das Gefühl als
solches sagt Dir weder, daß Du nicht sein wirst, noch, daß Du sein
wirst; es sagt Dir Nichts weiter, als daß Du bist; es weiß Nichts vom
Tode, aber auch Nichts von der Unsterblichkeit, so wie es Nichts vom
Atheismus, aber auch Nichts vom Theismus weiß. Das Gefühl ist
ein ewiges Kind, aber das Kind weiß weder, daß ein Gott, noch, daß
keiner ist. „Wahrlich, ich sage Euch, es sei denn, daß Ihr Euch um—
kehrt, und werdet wie die Kinder, so werdet Ihr nicht in das
Himmelreich (d. h. das Menschenreich) kommen.“
„Die Lehrer werden leuchten, wie des Himmels Glanz.“ Man
siehet aus diesen Worten Daniels, bemerkt hierzu ein christlicher Theo—
log des vorigen Jahrhunderts, nicht nur, daß es Stufen in der Selig—
keit der Auserwählten gebe, sondern auch besonders, daß die Gelehr—
ten einer groͤßeren Herrlichkeit theilhaftig sein werden, als die Unge—
lehrten. Die Worte des heiligen Hieronymus von dieser Sache sind
viel zu schön, als daß wir sie weglassen sollten: „Man pflegt zu fragen,
ob ein gelehrter Heiliger und ein ungelehrter einfältiger Heiliger einerlei
Belohnung und einerlei Wohnung im Himmel erhalten werden? Nach
der Meinung des Theodotians hält man dafür, daß die Gelehrten eine