Schließlich muß ich zu dem Abschnitt über den „allgemeinen
Unsterblichkeitsglauben““ die Bemerkung noch nachtragen, daß einige
Völker ausdrücklich zwei Seelen annehmen, in Beziehung auf den
Todten eine, die bei dem Leichnam bleibt, eine andere, die ins Land
der Seelen geht; in Beziehung auf den Lebenden eine, die die Erschei—
nung des Athmens, eine andere, die die Erscheinung des Vorstellens,
insbesondre des Träumens ausdrückt. Ich muß aber auch zugleich
bei dem Worte Seele die Bemerkung wiederholen, daß die Christen
wie ihre theistischen, so auch ihre psychologischen Vorstellungen den
heidnischen Völkern unterschieben, obgleich diese eben so wenig Etwas
von einem Gott in unserm Sinne, d. h. einem abstracten Wesen außer
dem Menschen, als Etwas von einer Seele in unserm Sinne, d. h.
einem abstracten Wesen im Menschen wissen. So heißt es z. B. in
Cooks dritter und letzter Reise von den Bewohnern der Freundschafts—
inseln: „über die Immaterialität und Unsterblichkeit der
Seele haben sie ziemlich richtige Begriffe.“ Gleichwohl heißt es
darauf, daß „die Seelen, des gemeinen Mannes wenigstens, von
einem Vogel Namens Loata gefressen werden.“ Uebrigens haben
die Christen allerdings auch Recht, wenn sie in den Seelen selbst der
wildesten und rohsten Völker ihre eigne Seele erkennen, denn alle unsre
religiösen und psychologischen Elementarvorstellungen unterscheiden sich
nur dadurch von den Vorstellungen der rohen Völker, daß sie subtiler,
abstracter sind; im letzten Grunde aber sind sie dieselben.
Druck von Otto Wigand in Leipzig
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