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oder durch Erwerb hat. Der Unterschied von An- oder Nicht- angeboren
muß von vorn herein auf den Unterschied von Wesentlich oder Unwesent-
lich , Innerlich oder Aeußerlich , Immanent oder Accidentell reducirt
werden. Und in diesem Sinne erfaßte Leibniz die Frage. Ist es
dem Geiste wesentlich , Geist zu sein, so ist es ihm wesentlich, zu
denfen ; ist es ihm aber wesentlich zu denken, so gibt es auch wesent-
liche Ideen , so sind diese wesentlichen, mit dem Sein des Geistes
identischen Begriffe oder Ideen eben so wenig aus den Sinnen ent-
sprungen oder von den sinnlichen Objekten abgezogen , als sein Wesen
daraus entsprungen , oder er sein Wesen, d. h. sich selbst von den
sinnlichen Objekten abgezogen hat. Der große Gedanke Leibnitzens
ist : der Geist ist sich selbst eingeboren, d. h. sich selbst wesent-
lich und immanent, und diese Immanenz ist die Quelle seiner wesen-
haften , geistigen Ideen. Es ist das hohe Princip der Selbst-
beschauung des Geistes, seiner Vertiefung in sich selbst, seiner Selbst-
ständigkeit und Autarkie, das Princip des Kantischen und Fichtischen
Idealismus , das in Leibniß schon zum Ausbruch kam, Der Geist
ist nach ihm das Princip der Ichheit ; er ist sich selbst Gegenstand ;
er ist die Idee, das Bewußtsein seiner selbst; diese Jdee ist eins
mit ihm; er ist Er selbst, Geist nur durch sie; und in diesem
Selbstbewußtsein liegt das Princip seiner Selbstthätigkeit und Selbst-
ständigkeit , seiner Immanenz , seiner Jdeen. Oder hat er etwa die
Idee seiner selbst durch Beobachtung und Abstraktion von den Sinnen
abgezogen oder durch die Reflexion auf seine Thätigkeiten gewonnen ?
Mit Nichten ; die Reflexion ist eine Folge von dem innern Selbstbe-
wußtsein des Geistes , keineSwegs aber sein Grund.
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