Full text: Darstellung, Entwicklung und Kritik der Leibnitz'schen Philosophie (5. Band)

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oder durch Erwerb hat. Der Unterschied von An- oder Nicht- angeboren 
muß von vorn herein auf den Unterschied von Wesentlich oder Unwesent- 
lich , Innerlich oder Aeußerlich , Immanent oder Accidentell reducirt 
werden. Und in diesem Sinne erfaßte Leibniz die Frage. Ist es 
dem Geiste wesentlich , Geist zu sein, so ist es ihm wesentlich, zu 
denfen ; ist es ihm aber wesentlich zu denken, so gibt es auch wesent- 
liche Ideen , so sind diese wesentlichen, mit dem Sein des Geistes 
identischen Begriffe oder Ideen eben so wenig aus den Sinnen ent- 
sprungen oder von den sinnlichen Objekten abgezogen , als sein Wesen 
daraus entsprungen , oder er sein Wesen, d. h. sich selbst von den 
sinnlichen Objekten abgezogen hat. Der große Gedanke Leibnitzens 
ist : der Geist ist sich selbst eingeboren, d. h. sich selbst wesent- 
lich und immanent, und diese Immanenz ist die Quelle seiner wesen- 
haften , geistigen Ideen. Es ist das hohe Princip der Selbst- 
beschauung des Geistes, seiner Vertiefung in sich selbst, seiner Selbst- 
ständigkeit und Autarkie, das Princip des Kantischen und Fichtischen 
Idealismus , das in Leibniß schon zum Ausbruch kam, Der Geist 
ist nach ihm das Princip der Ichheit ; er ist sich selbst Gegenstand ; 
er ist die Idee, das Bewußtsein seiner selbst; diese Jdee ist eins 
mit ihm; er ist Er selbst, Geist nur durch sie; und in diesem 
Selbstbewußtsein liegt das Princip seiner Selbstthätigkeit und Selbst- 
ständigkeit , seiner Immanenz , seiner Jdeen. Oder hat er etwa die 
Idee seiner selbst durch Beobachtung und Abstraktion von den Sinnen 
abgezogen oder durch die Reflexion auf seine Thätigkeiten gewonnen ? 
Mit Nichten ; die Reflexion ist eine Folge von dem innern Selbstbe- 
wußtsein des Geistes , keineSwegs aber sein Grund. 
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