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gleich ein Gegenstand der Verzehrung ist, wie also das religiöse Abhän—
gigkeitsgefühl eben so wohl die egoistische Erhebung des Menschen über
den Gegenstand, inwiefern er ein Gegenstand des Genusses, als die
devote Unterwerfung unter den Gegenstand, inwiefern er ein Gegenstand
des Bedürfnisses, enthält und ausdrückt
Ich kehre nun von dieser langen, keineswegs zufälligen, sondern
nothwendigen, durch den Gegenstand selbst gerechtfertigten Entwickelung
des Abhängigkeitsgefühles und Egoismus zurück zur Natur, zum ersten
Gegenstand dieses Abhängigkeitsgefühles. Ich habe schon bemerkt, daß
der Zweck meiner Abhandlung über das Wesen der Religion, folglich
auch dieser Vorlesungen, kein anderer ist, als zu beweisen, daß der
Naturgott oder der Gott, den der Mensch von seinem Wesen unterschei—
det und diesem als Grund oder Ursache voraussetzt, nichts Andres als
die Natur selbst ist, daß aber der Menschengott oder der geistige Gott,
oder der Gott, dem er menschliche Prädicate, Bewußtsein und Wil—
len beilegt, den er als ein ihm ähnliches Wesen denkt, den er von der
* Natur als einem willen- und bewußtlosen Wesen unterscheidet, nichts
Andres ist, als der Mensch selbst. Ich habe aber auch schon bemerkt,
un. daß ich meine Gedanken nicht aus dem blauen Dunst bodenloser Spe—
culationen herunterhole, sondern sie stets aus historischen, empirischen
Malin Erscheinungen erzeuge, daß ich ferner, oder eben deswegen meine Ge—
u⸗ danken nicht, wenigstens zunächst und unmittelbar im Allgemeinen, son—
sen dern stets in wirklichen Fällen, in Beispielen veranschauliche, verkörpert
darstelle und entwickele. Die Aufgabe im Wesen der Religion, wenig—
stens im ersten Theil war zu zeigen, daß die Natur ein ursprüngliches,
erstes und letztes *) Wesen ist, über das wir nicht hinausgehen können,
ohne uns ins Gebiet der Phantasie und gegenstandlosen Speculation
zu verlieren, daß wir bei ihr stehen bleiben müssen, daß wir sie nicht
durch ein von ihr unterschiedenes Wesen, einen Geist, ein Denkwesen
) Ein letztes a parte ante.