Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

vermitteln, von ihm ableiten können, daß daher, wenn wir die Natur 
aus dem Geiste erzeugen, die Erzeugung nur die Bedeutung einer sub— 
jectiven, formellen, wissenschaftlichen Deduction, aber keineswegs die 
Bedeutung einer wirklichen, gegenständlichen Erzeugung und Entstehung 
hat. Aber diese Aufgabe, diesen Gedanken knüpfte ich an eine thatsäch⸗ 
liche Erscheinung an, die diesen Gedanken schon ausgesprochen, oder der 
er wenigstens zu Grunde liegt, an die Naturreligion, an den schlichten, 
einfachen, unmittelbaren Menschensinn, der die Natur nicht von einem 
geistigen, un- und übernatürlichen Wesen ableitet, sondern die Natur w 
als das erste, als das göttliche Wesen selbst faßt. Der naturreligiöse 
Mensch nämlich verehrt die Natur als das Wesen nicht nur, durch das 
er jetzt besteht, oder ohne welches er nicht leben, nichts thun kann, er 
verehrt und betrachtet die Natur auch als das Wesen, durch das er ur— 
sprünglich entstanden ist, eben deswegen als das Alpha und Omega 
des Menschen. Wird nun aber die Natur als das den Menschen er⸗ t 
zeugende Wesen verehrt und gefaßt, so wird die Natur selbst als 
nicht erzeugt, nicht hervorgebracht betrachtet; denn der 
Mensch geht, wie wir später noch näher sehen werden, nur da über 
die Natur hinaus, leitet sie nur da von einem anderen Wesen ab, 
wo er sein Wesen sich nicht aus der Natur erklären kann. Wenn wir 
daher zuerst die Natur vom practischen Standpunkt aus, weil der Mensch 
nicht ohne sie leben und existiren kann, weil er die Wohlthat seiner ge— d 
genwaͤrtigen Existenz ihr verdankt, zum Gegenstand der Religion werden J 
sahen, so tritt sie uns dagegen jetzt auch vom theoretischen Standpunkt u 
aus als Gegenstand der Religion vor die Augen. Die Natur ist dem 
Menschen auf dem Standpunkt der Naturreligion nicht nur das practisch 
erste, sondern auch das theoretisch erste Wesen, d. h. das Wesen, aus lnn 
dem er seinen Ursprung ableitet. So betrachten z. B. die Indianer 
noch jetzt die Erde als ihre allgemeine Mutter. Sie glauben, daß sie 
im Schooße derselben erschaffen werden. Sie nennen sich daher Metok- 
theniake, d. h. Erdgeboren e. Geckewelder, Indianische Völker— 
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