Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

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nennt und verschieden ausdrückt, z. B. so: alles, was ist, oder die 
Welt ist veränderlich, zeitlich, entstanden, zufällig; aber das Zu— 
faͤllige setzt das Nothwendige voraus, das Endliche das Unendliche, das 
Zeitliche das Ewige; dieses Unendliche, dieses Ewige ist Golt. Oder 
auch so ausgedrückt: alles, was ist, alles Sinnliche, Wirkliche ist eine 
Ursache bestimmter Wirkungen, aber eine Ursache, die selbst bewirkt ist, 
selbst eine Ursache wieder hat und so fort; es ist daher nothwendig, es 
ist ein Bedürfniß unserer Vernunft, endlich still zu stehen bei einer Ur— 
sache, die keine Ursache mehr über sich hat, die nicht bewirkt ist, die, wie 
einige Philosophen sich ausdrücken, die Ursache ihrer selbst oder aus 
sich sebbst ist. Die alten Philosophen und Theologen bestimmten da— 
her das Endliche, das nicht Göttliche als das, was von einem Andern 
ist, das Unendliche, Gott als das, was von oder aus sich selbst 
ist. Allein gegen diesen Schluß ist Folgendes zu bemerken. Wenn 
auch der Fortgang der Ursachen bis ins Endlose in Beziehung auf die 
Frage von der Ensstehung der Menschen, selbst der Erde, der Vernunft 
widerspricht, wir nicht immer den Menschen, nicht immer den jeweiligen 
Zustand der Erde von einem vorausgegangenen Zustand derselben ab— 
leiten können, sondern endlich an einen Punkt kommen müssen, wo der 
Mensch aus der Natur, die Erde aus der planetarischen Masse oder wie 
man sonst den Grundstoff derselben nennen will, entsprungen ist; so wi⸗ 
derspricht dieser Fortgang doch keineswegs in seiner Beziehung oder An— 
wendung auf die Natur oder Welt überhaupt der durch die Anschauung 
der Welt gebildeten Vernunft. Es ist nur die Beschränktheit und Be⸗ 
quemlichkeitsliebe des Menschen, welche an die Stelle der Zeit die Ewig— 
keit, an die Stelle des endlosen Fortgangs von Ursache zu Ursache die 
Unendlichkeit, an die Stelle der rastlosen Natur die stabile Gottheit, an 
die Stelle ewiger Bewegung den ewigen Stillstand setzen. Allerdings 
ist's für mich, der ich auf die Gegenwart angewiesen bin, unvernuͤnftig, 
unersprießlich, langweilig, ja sogar unmöglich, die Anfanglosigkeit und 
Endlosigkeit der Welt zu denken oder nur vorzustellen; aber diese 
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