Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

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schon oben bei der ersten Ursache gesagt, daß der Mensch und zwar sub— 
jectiv mit vollem Recht — wenigstens so lange mit vollem Rechte, als 
er nicht hinter sein eigenes Wesen gekommen ist — die Gattung, d. h. 
hler den Gattungsbegriff den Arten und Individuen, in philosophischer 
Sprache ausgedrückt, das Abstracte dem Concreten voraussetzt. Hieraus u 
erklären und löͤsen sich alle die Schwierigkeiten und Widersprüche, die 
bei der Schoöpfung, bei der Erklärung der Welt aus einem Gotte statt— 
finden. Der Mensch zieht aus der Natur, aus der Witrklichkeit ver— ib 
mitlelst der Fähigkeit der Abstraction das Aehnliche, Gleiche, Gemein— 
schaftliche heraus, sondert es ab von den Dingen, die sich gleichen oder 
gleichen Wesens sind, und macht es nun im Unterschiede von den— * 
selben als ein selbstständiges Wesen zu ihrem Wesen. So zieht z. B. 
der Mensch von den sinnlichen Dingen Raum und Zeit als allgemeine 
Begriffe oder Formen ab, in welchen sie alle mit einander übereinkom— 
men, indem sie alle ausgedehnt und veränderlich sind, alle außer und 
nach einander sind. So ist jeder Punkt der Erde außer dem anderen 
und jeder in der Bewegung der Erde nach dem andern; wo jetzt dieser i 
Punkt ist, da ist in dem nächsten Augenblicke der andere Obgleich aber om 
der Mensch Raum und Zeit von den räumlichen und zeitlichen Dingen un 
abstrahirt hat, so setzt er ihnen doch dieselben, als die ersten Gründe und 
Bedingungen ihrer Existenz, voraus. Er denkt sich daher die Welt, d. h. 
den Inbegriff der wirklichen Dinge, den Stoff, den Inhalt der Welt im 
Raum und in der Zeit entstanden. Selbst Hegel noch läßt sogar die 
Materie nicht nur in, sondern aus Raum und Zeit entspringen. Eben 
deßwegen, weil der Mensch Zeit und Raum den wirklichen Dingen vor— 
aussetzt, und die von den einzelnen Dingen abgezogenen Allgemeinbe— 
griffe in der Philosophie als allgemeine Wesen, in der Religion poly— 
theistisch als Goͤtter, monotheistisch als Eigenschaften Gottes verselbststän— 
digt, hat er auch Raum und Zeit zu Gott gemacht oder mit Gott iden⸗ 
tificirt. Selbst noch der berühmte christliche Mathematiker und Astro⸗ 
nom Newton nennt den Raum die Unermeßlichkeit Gottes, selbst das 
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