Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

begriff der Gattungsbegriffe Ich habe diese Frage so eben zwar schon 
an den Begriffen von Raum und Zeit erläͤutert; aber sie muß noch 
weiter behandelt werden. Ich bemerke aber, daß diese Frage zu den 
wichtigsten und zugleich schwierigsten Fragen der menschlichen Erkenntniß 
und Philosophie gehört, wie schon daraus erhellt, daß die ganze Ge— 
schichte der Philosophie sich eigentlich nur um diese Frage dreht, daß der 
Streit der Stoiker und Epikuräer, der Platoniker und Aristoteliker, der 
Skeptiker und Dogmatiker in der alten Philosophie, der Nominalisten 
und Realisten in dem Mittelalter, der Idealisten und Realisten oder 
Empiristen in neuerer Zeit nur auf diese Frage hinausläuft. Sie ist 
aber eine der schwierigsten Fragen nicht nur deswegen, weil die Philo— 
sophen, namentlich die neuesten, durch den willkürlichsten Gebrauch der 
Worte eine unendliche Confusion in diese Materie gebracht haben, son— 
dern auch, weil die Natur der Sprache, die Natur des Denkens selbst, 
welches sich ja gar nicht von der Sprache abtrennen laͤßt, uns gefangen 
nimmt und vexirt, indem jedes Wort ein allgemeines, daher Vielen 
schon die Sprache allein weil sich das Einzelne nicht einmal ausspre— 
chen lasse, ein Beweis von der Nichtigkeit des Einzelnen und Sinnlichen ist. 
hi Es hat endlich auf diese Frage und ihre Entscheidung einen wesentlichen 
nod Einfluß die Verschiedenheit der Menschen hinsichtlich ihres Geistes, ihrer 
ee Beschäftigung, ihrer Anlagen, ihres Temperamentes selbst. Menschen, 
l z. B. die sich mehr im Leben, als in der Studirstube, mehr in der Natur, 
als in Bibliotheken herumtreiben, Menschen deren Beruf und Trieb sie 
an die Beobachtung, die Anschauung der wirklichen Wesen treibt, wer— 
den diese Frage stets im Sinne der Nominalisten entscheiden, welche 
len Wien dem Allgemeinen nur eine subjective Existenz, eine Existenz in der 
Sprache, der Vorstellung des Menschen einräumen, Menschen von ent— 
na m gegengesetzten Beschäftigungen und Eigenschaften dagegen im entgegen— 
hnn— gesetzten Sinne, im Sinne der Realisten, welche dem Allgemeinen eine 
cn um Existenz für sich selbst, eine Existenz unabhängig vom Denken und 
het nichl Sprechen des Menschen einräumen. 
dr I⸗ 
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