Vierzehnte Vorlesung.
Der Schluß der gestrigen Vorlesung war, daß das Verhältniß
Gottes zur Welt nur auf das Verhältniß des Gattungsbegriffes zum
Individuum sich reducirt, daß die Frage, ob ein Gott ist, keine andere
Frage ist, als ob das Allgemeine eine Existenz für sich hat. Es ist
diese Frage aber nicht nur eine der schwierigsten, sondern auch wichtig—
sten; denn nur von ihr hängt das Sein oder Nichtsein eines Gottes
ab. Bei Vielen hängt ihr Gottesglauben nur an dieser Frage, stützt
sich die Existenz ihres Gottes nur auf die Existenz der Gattungs- oder
Allgemeinbegriffe. Wenn kein Gott ist, sagen sie, so ist kein Allgemein—
begriff eine Wahrheit, so giebt es keine Weisheit, keine Tugend, keine
Gerechtigkeit, kein Gesetz, keine Gemeinschaft; so ist Alles pure Willkür,
so fällt Alles ins Chaos, ja in Nichts zurück. Dagegen ist nun aber
sogleich zu bemerken, daß, wenn's auch keine Weisheit, keine Gerechtig—
keit, keine Tugend im theologischen Sinne giebt, daraus noch keines—
wegs folgt, daß es keine solche im menschlichen und vernünftigen Sinne
giebt. Es ist nicht nothwendig, um die Bedeutung der Allgemeinbe—
griffe anzuerkennen, sie deswegen zu vergöttern, zu selbstständigen, von
den Individuen oder Einzelwesen unterschiedenen Wesen zu machen. So
wenig ich ein Laster, um es zu verabscheuen, mir als einen Teufel zu
verselbstständigen brauche, wie die alten christlichen Theologen, welche
fuͤr jedes Laster einen besonderen Teufel hatten, z. B. für die Trunk—