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druß oft wiederholt worden. Es ist der popularste und auf einem ge⸗
wissen Standpunkt einleuchtendste und überzeugendste Beweis AeVBe—
weis des gemeinen, d. h. ungebildeten, nichts von der Natur wissenden
Menschenverstands; er ist daher der einzige, wenigstens theoretische
Grund und Stützpunkt des Theismus im Volke. Wir müssen aber
gegen diesen Schluß vor Allem geltend machen, daß, obwohl der Vor—
stellung von Zwecken etwas Gegenständliches oder Wirkliches in der
Natur entspricht, doch der Ausdruck und Begriff Zweck kein angemessener
ist. Was nämlich der Mensch die Zweckmäßigkeit der Natur nennt und
als solche auffaßt, das ist in Wirklichkeit nichts Andres, als die Einheit
der Welt, die Harmonie der Ursachen und Wirkungen, der Zusammen—
k hang überhaupt, in dem Alles in der Natur ist und wirkt. So wie die
Worte nur dann einen Sinn und Verstand haben, wenn sie in einem
nothwendigen Zusammenhang mit einander stehen, so ist es auch nur
der nothwendige Zusammenhang, in welchem die Wesen oder Erschei⸗
nungen der Natur mit einander stehen, welcher auf den Menschen den
Eindruck der Verständigkeit und Absichtlichkeit macht. Die Stoiker ge—
brauchten in ihren Beweisen von einer verständigen Ursache der Welt
gegen die freilich unvernünftige Vorstellung, daß die Welt dem Zufall,
dem zufälligen Zusammenkommen von Atomen, d. h. unendlich kleinen,
festen und untheilbaren Körpern ihre Existenz verdanke, das Bild, daß
dies eben so wäre, als wenn man aus einem zufälligen Zusammenwür⸗
feln von Buchstaben sich die Entstehung eines geistigen Werks, z. B.
der Geschichtsbücher des Ennius erklären wollte. Allein obgleich die
su Welt keinem Zufall ihre Existenz verdankt, so brauchen wir uns des—
wegen doch keinen menschlichen oder menschenähnlichen Autor derselben
zu denken. Die sinnlichen Dinge sind keine Buchstaben oder Lettern, die
erst von einem Setzer außer ihnen zusammengesetzt werden müssen, weil
Dstt sie in keiner nothwendigen Beziehung zu einander stehen; die Dinge in
ghnllemm der Natur ziehen sich an, bedürfen und begehren einander, denn eines
eber⸗ ist nicht ohne das andere, treten also durch sich selbst in Beziehung,
Feuerbach's sämmtliche Werke. VIII. 1
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