Gott, „der dem Vieh sein Futter giebt, wie es in den Psalmen und im
Hiob heißt, den jungen Raben, die ihn anrufen“. Mit der Natur reimt
sich daher wohl die vernünftige Freiheit, die Selbstständigkeit und Selbst—
thätigkeit der Menschen, der individuellen Wesen uͤberhaupt, aber nicht
mit einem allmächtigen, Alles wissentlich und absichtlich vorausbestim—
menden Golte. All die zahllosen herzverderbenden und kopfverwirrenden
Widersprüche, Schwierigkeiten und Sophismen, welche in der Theologie
die mit ihrem Gotte als dem allein oder hauptsächlich thätigen Wesen nicht
zusammenvereinbare Selbstthätigkeit und Selbstwirksamkeit der Geschöpfe,
der Creaturen verursacht, verschwinden daher oder werden doch wenig—
stens aufloösbar, wenn man an die Stelle der Gottheit die Natur setzt.
Wie die Theisten das moralische Ueble, das Böse dem Menschen
Schuld geben, nur das Gute von Gott ableiten, so haben sie auch das
physische Uebel, das Uebel in der Natur, theils direct, theils indirect,
theils ausdrücklich, theils stillschweigend der Materie oder der unver—
meidlichen Nothwendigkeit der Natur Schuld gegeben. Wenn dieses
Uebel nicht wäre, so wäre auch nicht dieses Gute, sagen sie, wenn der
Mensch nicht hungerte, so hätte er auch keinen Genuß vom und keinen
Trieb zum Essen, wenn er kein Bein brechen könnte, so hätte er auch
keine Knochen, er könnte folglich nicht gehen; wenn er keine Schmerzen
empfände bei einer Verwundung, so hätte er keinen Antrieb sich zu
schützen; darum seien die oberflächlichen Wunden viel schmerzhafter, als
die tiefgehenden. Es ist daher eine Thorheit, sagen sie, wenn die Athei⸗
sten die Uebel, Leiden, Schmerzen des Lebens als Beweise gegen einen
guütigen, weisen, allmächtigen Schöpfer anführen. Es ist allerdings
auch ganz richtig, daß, wenn dieses oder jenes Uebel nicht wäre, auch
nicht dieses oder jenes Gut sein könnte; aber diese Nothwendigkeit gilt
nur fuͤr die Natur, nicht fuͤr einen Gott. So gut Gott ein Wesen ist,
in dem der Theist sich eine Seligkeit denkt, ohne Unseligkeit, eine Voll⸗
kommenheit ohne Unvollkommenheit, so gut, so nothwendig knüpft
sich auch an einen Gott die Vorstellung, daß er Gutes ohne Uebles,
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