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Gottes Willen und Macht hat, so negire, so verläugne ich durch meine
practische Thätigkeit meine religiöse Theorie und Glaubensvorstellung,
daß Alles, was Gott thut, wohlgethan, Alles, was Gott macht, weise,
untadelhaft, unverbesserlich ist, denn Gott hat ja nicht Alles über Bausch
und Bogen, so nur im Allgemeinen gemacht, sondern alles Einzelne.
Wie kann ich also eine gewaltsame Veränderung machen, wie die gött—
lichen Absichten meinen menschlichen Absichten unterwerfen, wie der
Macht Gottes, die sich in der Macht dieses reißenden Stromes, in der
Größe dieses Berges offenbart, die menschliche Macht entgegensetzen?
Ich kann es nicht, wenn ich meinen Glauben durch die That bestätigen
will. Als die Knider, erzählt Herodot, eine kleine Strecke Landes
durchgraben wollten, um aus ihrem Lande eine vollkommene Insel zu
machen, wehrte es ihnen die Pythia mit diesen Versen:
„Befestigt nicht den Isthmus und durchgrabt ihn nicht,
Die Insel hätte Zeus gemacht, wenn er's gew ollt.“
Und als Rom der Vorschlag gemacht wurde, die Zuflüsse der Tiber ab—
zugraben, um ihre Ueberschwemmungen zu verhindern, da sträubten sich,
wie Tacitus in seinen Annalen erzählt, die Reatiner dagegen mit den
Worten, die Natur, was hier offenbar so viel ist als Gott, habe aufs
Beste für die menschlichen Interessen gesorgt, indem sie den Flüssen ihre
Mündungen, ihren Lauf, ihren Ursprung wie ihr Ende gegeben habe.
Alle Culturmittel, alle Erfindungen, welche der Mensch gemacht, um
sich gegen die Brutalitäten der Natur zu schützen, wie z. B. die Blitz-
ableiter, hat daher der consequente, religiöse Glaube als Eingriffe in
das göttliche Regiment verdammt, selbst noch, — wer sollte es den⸗
ken? — in unserer Zeit. Als der Schwefeläther als ein schmerzstillen⸗
des Mittel entdeckt und angewandt ward, so protestirten, wie mir von
einem vollkommen glaubwürdigen Mann erzählt wurde, die Theologen
einer protestantischen Universität, der Universität Erlangen dagegen,
n du namentlich gegen die Anwendung desselben bei schweren Entbindungen,