Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

Liebe, der göttlichen Barmherzigkeit zu hängen, um ungehindert zu thun, 
was ihm zu thun beliebt. 
Ich habe die angeführten Beispiele vom Bilderdienst nur dazu an— 
geführt, um daran den Unterschied von der Kunst und Religion zu zei— 
gen. Beide sind darin eins, daß sie Bilder schaffen; — der Dichter 
schafft Bilder in Worten, der Maler in Farben, der Bildhauer in Holz, 
Stein, Metall — aber der Künstler, wenn sich keine Religion einmischt, 
verlangt von seinen Bildern nichts weiter, als daß sie richtig und schön 
sind; er giebt uns einen Schein der Wirklichkeit; aber er giebt diesen 
Schein der Wirklichkeit nicht für die Wirklichkeit aus; die Religion da—⸗ 
gegen betrügt den Menschen oder vielmehr der Mensch betrügt sich selbst 
in der Religion; denn sie giebt den Schein der Wirklichkeit für Wirklich— 
keit aus: sie macht aus dem Bilde ein lebendiges Wesen, ein Wesen, 
das aber nur in der Einbildung lebendig ist; — in Wahrheit ist ja das 
Bild nur Bild —, ein Wesen, das eben deswegen ein göttliches Wesen 
ist und heißt; denn das Wesen eines Gottes ist, daß er ein eingebil— 
detes, unwirkliches, phantastisches Wesen ist, das aber gleichwohl ein 
reales, ein wirkliches Wesen sein soll. Die Religion verlangt daher 
nicht von ihren Bildern, wie die Kunst, daß sie richtig, dem darzustellen⸗ 
den Gegenstand entsprechend und schön sind — im Gegentheil die eigent— 
lich religiösen Bilder sind die häßlichsten, unförmlichsten; so lange die 
Kunst der Religion dient, nicht sich selbst angehört, bringt sie immer 
Werke hervor, die auf den Namen von Kunstwerken noch gar keinen 
Anspruch machen können, wie die Geschichte der griechischen und christ— 
lichen Kunst beweist — die Religion verlangt vielmehr von ihren Bil— 
dern, daß sie dem Menschen nützlich seien, daß sie ihm in der Noth 
helfen; sie giebt daher — denn nur lebendige Wesen können ja helfen 
— ihren Bildern Leben und zwar menschliches Leben nicht nur dem 
Schein, der Gestalt nach, wie der Künstler, sondern der That nach, 
d. h. menschliches Gefühl, menschliche Bedürfnisse und Leidenschaften, 
bringt ihnen daher selbst Speise und Getränke dar. So unsinnig es 
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