Zweite Vorlesung.
Wie Leibnitz der Antipode Spinoza's, so ist der Antipode Leibnitzens
namentlich in theologischer Beziehung der französische Gelehrte und
Skeptiker: Pierre Bayle. Das Audiatur et altera pars — gilt nicht
nur in der Jurisprudenz, sondern auch in der Wissenschaft überhaupt.
Diesem Spruche gemäß ließ ich daher auf den gläubigen, wenigstens
denkgläubigen deutschen Philosophen den ungläubigen oder doch zwei—
felnden französischen Philosophen in der Reihe meiner Schriften folgen.
Uebrigens war die Ursache dieser Schrift keineswegs nur ein wissen—
schaftliches, sondern auch ein praktisches Interesse. Wie überhaupt
meine Schriften ihre Entstehung dem Gegensatz gegen eine Zeit verdan—
ken, in der man gewaltsam die Menschheit in die Finsterniß vergangener
Jahrhunderte zurückscheuchen wollte, so auch mein Bayle. Er erschien
zu der Zeit, wo namentlich in Baiern und Rheinpreußen der alte Kampf
des Katholicismus und Protestantismus aufs heftigste und häßlichste
wieder entbrannt war. Bayle war einer der ersten, ausgezeichnetsten
Kämpfer für Aufklärung, Humanität und Toleranz, frei von den Fesseln,
ebensowohl des katholischen als protestantischen Glaubens. Durch eine
solche Stimme aus der Vergangenheit eine bethörte und erboste Gegen—
wart zu belehren und zu beschämen, das war der Zweck meines Bayle.
Das erste Kapitel handelt vom Katholicismus, als dessen Wesen ich
wegen seiner Klöster, wegen seiner Heiligen, wegen seines Priestercöli—