Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

247 
despotisch oder monarchisch gebietenden Menschen ist also das, wovon 
der Monotheist ausgeht, ist das Urbild seiner Phantasie, seiner Einbil— 
dungskraft. Der Polytheist vergöttert indirect den menschlichen Geist, 
die menschliche Phantasie, denn die Naturdinge werden ihm ja nur 
durch seine Phantasie zu Göttern, der Monotheist aber direct, geradezu. 
Der monotheistische oder christliche Gott ist daher, was zu beweisen waxr, 
eben so gut ein Product der menschlichen Phantasie, eben so ein Bild 
des menschlichen Wesens, als der polytheistische, nur daß das menschliche 
Wesen, wornach der Christ sich seinen Gott denkt und schafft, kein greif— 
bares, faßbares, in den Schranken einer Statue, eines Bildes darstell— 
bares Wesen ist. Vom christlichen und jüdischen Gott läßt sich kein 
Bild machen; aber wer kann sich vom Geiste, vom Willen, vom, Wort 
ein körperliches Bild machen? Der Unterschied zwischen dem Mono— 
theismus und Polytheismus besteht darin ferner, daß der Polytheismus 
zum Ausgangspunkt und Fundament die sinnliche Anschauung hat, 
welche uns die Welt in der Vielheit ihrer Wesen darstellt, der Mono⸗ 
theismus aber von dem Zusammenhang, von der Einheit der Welt 
ausgeht, von der Welt, wie der Mensch sie im Denken und Einbilden 
in ein Eins zusammenfaßt. Es ist nur eine Welt und folglich nur 
ein Gott, sagt z. B. Ambrosius. Die vielen Götter sind Geschöpfe 
der sich unmittelbar an die Sinne anschließenden Einbildungskraft; der 
Eine Gott ist ein Geschöpf der von den Sinnen abgezogenen, der mit 
dem Abstractionsvermögen verbundenen Einbildungskraft. Je mehr 
der Mensch von der Einbildungskraft beherrscht wird, desto sinnlicher 
ist sein Gott; auch der Eine Gott; je mehr der Mensch an abgezogene 
Begriffe gewöhnt ist, desto unsinnlicher, desto abgezogener, abgefeimter 
ist sein Gott. Der Unterschied zwischen dem christlichen Gott, wie er 
ein Gegenstand des Rationalisten, des Denkglaubigen, und zwischen 
ihm, wie er Gegenstand des Alt- oder Vollgläubigen ist, besteht nur 
darin, daß der rationalistische Gott ein abgefeimteres, abgezogeneres, 
unsinnlicheres Wesen ist, als der mystische oder rechtglaubige Gott, be—
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.