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sache von Blitz und Donner? Nein, diese existiren, und was hätte es
für ein Interesse für den Menschen, namentlich den religiösen, die Sonne
darzustellen, wie sie unseren Sinnen erscheint. Nein! die religiöse Kunst
will nicht die Sonne, sondern den Sonnengott, nicht den Himmel, son⸗
dern den Himmelsgott darstellen; sie will nur das darstellen, was die
Phantasie in den sinnlichen Gegenstand hineinlegt, was folglich nicht
finnlich existirt; sie will nur den Himmel, nur die Sonne, sofern sie
als ein persoͤnliches Wesen gedacht wird, nur die Phantasie, nur die
Sonne, wie sie kein Sinnen-, sondern ein Phankasiewesen, ein Wesen
der Einbildung ist, versinnlichen. Die Hauptsache in der künstlerischen
Darstellung eines Gottes ist seine Person, sein von der Phantasie er—
zeugtes, menschenähnliches Wesen, die Rebensache ist die Natur; der
naturliche Gegenstand, obgleich der Gott nur dessen Personification ur—
sprünglich ist, ist nur das Mittel, diesen Gott zu bezeichnen und wird
nur als ein Instrument demselben beigesellt. So wird der Himmels—
und Donnergott Zeus in der griechischen Religion, ob er gleich ursprüng—
lich, wie in allen Naturreligionen, eins ist mit dem Donner und Blitz,
abgebildet in der Hand den königlichen Scepter oder den flammenden
Donnerkeil haltend. Das ursprüngliche Wesen des Gottes des Don⸗
ners, die Natur ist also zu einem bloßen Instrumente der Person herab⸗
gesetzt. Aber gleichwohl ist zwischen dem Himmel als Naturwesen und
dem Himmelsgott, der in einem Kunstwerk dargestellt wird, diese Gleich⸗
heit oder Einheit vorhanden, daß beide sinnliche, körperliche Wesen sind,
— der Himmelsgott freilich nur der Einbildung nach — so daß wenig—
stens vor dem Gott, der kein sinnliches Wesen ist, der Unterschied zwi—
schen dem Kunst- und Naturgegenstand wegfällt, oder es wenigstens
nicht nothwendig war, diesen Unterschied hervorzuheben. Doch wieder
zurück zu unserem Gegenstande! Ich habe behauptet, daß die Einbil—
dungskraft das wesentliche Organ der Religion ist, daß ein Gott ein
eingebildetes, bildliches Wesen, und zwar ein Bild des Menschen ist,
daß auch die Naturgegenstände, wenn sie religiös angeschaut werden,
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