Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

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Anhn. deres Organ für die profane Läugnung der Gespensterwelt annehmen. 
J Es ist allerdings nichts bequemer, als für eine auffallende Erscheinung 
sogleich eine ganz besondere Ursache ausfindig zu machen; aber eben 
diese Bequemlichkeit muß uns schon diese Erklärungsweise verdächtig 
machen. Was nun aber insbesondere die Religion betrifft, so berechtigt 
uns gar nichts, sie aus einem besonderen Gefühl, einem besonderen 
Sinne oder Organ abzuleiten, wie unsere ganze bisherige Erklärung 
derselben gezeigt hat. Zum deutlichen Beweise appellire ich jedoch noch 
an die Sinne. Nur aus seinen Erscheinungen, aus seinen Wirkungen, 
seinen in die Sinne fallenden Aeußerungen können wir ja so Etwas er⸗ 
kennen, so auch die Religion. Der wichtigste, ihr Wesen am meisten 
offenbarende und zugleich augenfälligste Act der Religion ist aber das 
Gebet oder die Anbetung; denn die Anbetung ist ja das in die Sinne 
fallende, in sinnlichen Geberden und Zeichen sich darstellende Gebet. 
Betrachten wir daher die verschiedenen Anbetungsweisen der Völker, so 
werden wir finden, daß die religiösen Gefühle sich nicht von den Ge— 
fühlen unterscheiden, die der Mensch auch außer und ohne Religion im 
eigentlichen Sinne hat. „Der allgemeinste, natürlichste Ausdruck, sagt 
Meiners, der hierüber wie über andere Punkte in seiner angefüͤhrten 
Schrift das Wichtigste gesammelt hat, der allgemeinste, natürlichste 
Ausdruck der Demüthigung vor höheren Naturen, wie vor unumschränk— 
ten Beherrschern, war das Niederwerfen des ganzen Körpers auf die 
Erde. Das Niederfallen auf die Kniee war, wenn auch nicht so ge— 
mein, als das Niederwerfen des ganzen Körpers, doch sehr häufig unter 
* den verschiedensten Völkern. Die Aegypter ehrten durch Knieen ihre 
Götter, wie ihre Könige und deren Vertraute. Die Juden durften sich 
mD eben so wenig, als die heutigen Muhamedaner, beim Heten hinsetzen, 
n weil der Wohlstand es von jeher im Morgenlande untersagte, daß 
Zisuht Unterthanen sich in Gegenwart ihrer Beherrscher, Clienten vor ihren 
sondereß Patronen, Weiber, Kinder und Knechte vor ihren Männern, Vätern 
n, und Herren niederließen. Im alten Orient, wie im alten Griechenlande 
I Feuerbach's sämmtliche Werke. VIII.
	        
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