Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

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Hausvater täglich feiern soll, „das Sacrament der Menschen“, 
das Sacrament der Gastfreundschaft, die Hochachtung und Ehrerbie— 
tung gegen Gäste. Namentlich hat aber der Orient die Verehrung der 
Fürsten bis auf den höchsten Grad des religiösen Servilismus getrieben. 
So müssen z. B. in China alle Unterthanen, selbst die tributpflichtigen 
Staatsoberhäupter vor dem Kaiser dreimal niederknieen und neunmal 
die Erde mit dem Kopfe berühren, und an gewissen Tagen des Monats 
erscheinen die vornehmsten Mandarinen vor dem Kaiser, und wenn er 
auch nicht selbst gegenwärtig sein sollte, so erweisen sie doch dem leeren 
Throne dieselbe Ehrfurcht. Ja selbst vor den kaiserlichen Mandaten 
und Schreiben muß man niederknieen und neunmal mit dem Kopfe die 
Erde berühren. Die Japaner halten ihren Kaiser für so erhaben, daß 
„selbst nur die Großen der ersten Klasse das Glück genießen, des Kai— 
sers Füße sehen zu dürfen, ohne indeß ihren Blick höher richten zu 
dürfen. Eben deßwegen, weil der Mensch, namentlich der Orientale 
3 die höchste Ehrfurcht, deren nur der Mensch fähig ist, seinem Regenten 
gegenuͤber empfindet, so hat sie auch seine Phantasie zu Göttern gemacht, 
sie mit allen Eigenschaften und Titeln der Gottheit ausgeschmückt. All— 
gemein bekannt sind die hyperbolischen Titel der Sultane und der Kaiser 
von China. Aber selbst kleine ostindische Fuͤrsten heißen „Könige der 
Könige, Brüder der Sonne, des Mondes und der Sterne, Herren der 
Ebbe und Fluth und des Weltmeeres.“ Auch bei den Aegyptern wurde 
das Königthum mit der Gottheit identificirt, und zwar so sehr, daß der 
n Etel König Ramses sogar dargestellt wird, wie er sich selbst als Gott 
48 anbetet. Die Christen haben von den Orientalen wie die Religion, 
m auch diese Vergötterung der Fürsten ererbt. Die Eigenschaften oder 
Vimne Titel der Gottheit, welche die heidnischen Kaiser führten, waren auch die 
n 9 Titel der ersten christlichen Kaiser. Und noch heute drücken die Christen 
u sich ihren Fürsten gegenüber so demüthig, so servil aus, als man sich 
mn nur einem Gotte gegenüber ausdrücken kann. Noch heute sind die Titel 
nt en ihrer Fürsten eben so phantastische Hyperbeln und Uebertreibungen, als 
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