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senheit erfuͤlt er nur, um noch einmal das Gesagte kurz zusammen zu
fassen, feinen Wunsch, Alles zu wissen, oder vergegenständlicht er nur
die Fähigkeit des menschlichen Geistes, in seinem Wissen nicht auf diesen
oder jenen Gegenstand beschränkt zu sein, sondern Alles zu umfassen;
in der göttlichen Allörtlichkeit oder Allgegenwart verwirklicht er nur den
Wunsch, an keinen Ort gebunden zu sein, oder vergegenständlicht er nur
die Fähigkeit des menschlichen Geistes, in Gedanken überall zu sein; in
der göttlichen Ewigkeit oder Allzeitlichkeit verwirklicht er nur den Wunsch,
an keine Zeit gebunden zu sein, nicht zu enden, oder vergegenständlicht
er nur die Endlosigkeit und (wenigstens, wenn er folgerichtig denkt) die
Anfangslosigkeit des menschlichen Wesens, der menschlichen Seele, denn
wenn die Seele des Menschen nicht sterben, nicht enden kann, so kann
sie auch nicht entstehen, nicht anfangen, wie Viele ganz consequent ge—
glaubt haben; in der göttlichen Allmacht verwirklicht er nur den Wunsch,
Alles zu können, ein Wunsch, der mit dem Wunsch Alles zu wissen zu⸗
fammenhaͤngt oder nur eine Folge desselben ist; denn der Mensch kann
nur so viel, wie schon der Engländer Bacon sagt, als er weiß, wer ja
nicht weiß, wie man eine Sache macht, der kann sie auch nicht machen;
das Können setzt das Wissen voraus; wer daher Alles zuwissen wünscht,
der wünscht auch Alles zu können; oder: in der göttlichen Allmacht ver—
gegenständlicht und vergöttert der Mensch nur sein Allvermögen, seine
unbeschränkte Fähigkeit zu Allem. Das Thier, sagt ein christlicher Den⸗
ker, der selbst über die Wahrheit der christlichen Religion geschrieben,
Hugo Grotius, kann nur dieses oder jenes; aber die Macht, das Ver—
moͤgen des Menschen ist unbeschränkt. In der göttlichen Seligkeit und
Vollkommenheit verwirklicht der Mensch nur den Wunsch, selbst selig
und vollkommen, folglich auch moralisch vollkommen zu sein; denn
ohne moralische Vollkommenheit giebt's keine Seligkeit: wer kann
selig sein mit Eifersucht, mit Neid und Mißgunst, mit Bosheit und
Rachegefühl, mit Habsucht und Trunksucht? Das göttliche Wesen also
ist das Wesen des Menschen, aber nicht, wie es der prosaischen Wirk—
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