Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

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diese, die Grundsaͤtze meiner Lehre habe ich gegeben und zwar auf die 
moͤglichst klare Weise. Freilich hätte ich mich kürzer fassen koͤnnen in 
den ersten Vorlesungen. Aber mich entschuldigt der Umstand, daß ich 
kein akademischer Docent, daß ich nicht an Vorlesungen gewöhnt bin, 
kein ausgearbeitetes Heft vor mir liegen hatte und daher meinen Stoff 
nicht nach der Elle akademischer Zeitrechnung zu messen und einzutheilen 
verstand. Ich würde jedoch mit einem Hiatus, einem Mißton meine 
Vorlesungen schließen, wenn ich mit dem in der letzten Stunde ausge— 
führten Beweise schließen wollte; denn ich habe die Prämissen, die Vor⸗ 
dersätze oder Voraussetzungen, von denen aus der Christ auf eine Gott⸗ 
bin heit und Unsterblichkeit schließt, unangefochten bestehen lassen Gott, 
sagte ich, ist der Verwirklicher oder die Wirklichkeit der menschlichen 
Wüͤnsche der Glückseligkeit, Vollkommenheit, Unsterblichleit. Wer also, 
kann man hieraus schließen, dem Menschen den Gott nimmt, der reißt 
ihm das Herz aus dem Leibe. Allein ich bestreite die Voraussetzungen, 
von welchen die Religion und Theologie auf die Nothwendigkeit und das 
Dasein der Gottheit, oder — es ist eins — der Unsterblichkeit schließen. 
Ich behaupte, daß die Wuüͤnsche, die sich nur in der Einbildung erfüllen, 
oder von denen aus auf das Dasein eines eingebildeten Wesens ge⸗ 
schlossen wird, auch nur eingebildete, nicht wirkliche, wahre Wünsche des 
bad menschlichen Herzens sind; ich behaupte, daß die Schranken, welche 
nr die religiöse Einbildungskraft in der Gottheit oder Unsterblichkeit auf— 
n. hebt, nothwendige Bestimmungen des menschlichen Wesens sind, welche 
von demselben nicht abgesondert werden können, folglich keine Schran— 
och wer ken, außer eben nur in der Einbildung des Menschen sind. So ist es 
nw. z. B. keine Schranke des Menschen, daß er an Ort und Zeit gebunden 
L ist, daß ihn „sein Leib an die Erde fesselt, wie der Vernunftgläubige 
wan hiẽ sagt, und ihn daher verhindert zu wissen, was auf dem Monde, auf der 
e hauy⸗ Venus ist.“ Die Schwere, die mich an die Erde bindet, ist nichts An⸗ 
sihe aus deres, als die Erscheinung von meinem Zusammenhang mit der Erde, 
hen. Un von meiner Unzertrennlichkeit von ihrʒ was bin ich, wenn ich diesen 
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