Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

nanen Gattung, seinen wesentlichen Stand und Lebensberuf hinaus — er will 
nur Jenseits bequemer und leichter sich den Fang machen. Welch ein 
bescheidener Wunsch! Der Culturmensch, dessen Geist und Leben nicht 
an einen beschränkten Ort gebunden, wie des Wilden Geist und Leben, 
welcher nichts kennt, als sein Land, dessen Verstand sich nicht weiter als 
einige geographische Meilen erstreckt, hat natuͤrlich auch keine so be— 
schränkten Wünsche. Er wünscht sich nicht blos, um bei dem Beispiel 
stehen zu bleiben, die genießbaren Thiere und Früchte seines Landes; er 
wünscht sich auch die Genüsse der fernsten Länder zu verschaffen; seine 
Genüsse und Wünsche sind im Vergleich zu denen des Wilden unend— 
lich; aber gleichwohl gehen sie weder über die Natur der Erde, noch 
über die Natur des Menschen überhaupt hinaus. Der Gattung nach 
stimmt der Culturmensch mit dem Wilden überein; er will keine himm— 
lischen Speisen, von denen er ja so Nichts weiß; er will nur Erzeugnisse 
der Erde; er will nicht das Essen überhaupt, er will nur den rohen, 
ausschließlich auf die Erzeugnisse dieses Ortes beschränkten Genuß auf⸗— 
heben. Kurz der vernünftige und naturgemäße Glückseligkeitstrieb geht 
nicht ͤber das Wesen des Menschen, über das Wesen dieses Lebens, 
dieser Erde hinaus; er will nur die Uebel, die Beschränkungen auf— 
heben, die wirklich aufzuheben, die nicht nothwendig sind, nicht zum 
Wesen des Lebens gehören. Wünsche daher, die über die menschliche 
Natur oder Gattung hinausgehen, wie z. B. der Wunsch, gar nicht zu 
essen, nicht mehr überhaupt den leiblichen Bedürfnissen unterworfen zu 
sein, sind eingebildete, phantastische Wünsche, folglich auch das Wesen, 
das diese Wünsche erfüllt, das Leben, wo sie erfüllt werden, nur ein 
eingebildetes, phantastisches Wesen und Leben. Die Wünsche dagegen, 
welche nicht über die menschliche Gattung oder Natur hinausgehen, 
welche nicht blos in der bodenlosen Einbildung und in unnatürlicher 
Gefühlsschwelgerei, sondern in einem wirklichen Bedürfniß und Trieb 
ait, der menschlichen Natur ihren Grund haben, finden auch innerhalb der 
a senr menschlichen Gattung, im Laufe der menschlichen Geschichte ihre Er— 
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