Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

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Wort: Gott ist ein Sack, in dem man alles Moͤgliche unterbringen 
kann; aber die Sache in dem Sacke hört deswegen doch nicht auf Das 
zu sein, was sie auch außer dem Sacke ist; nur für mich verliert sie 
ihre sichtbaren Eigenschaften. Es ist daher der Sache, dem Inhalt 
nach ganz eins, ob ich sage: Gott hat es gewollt, oder: der Zu⸗ 
fall hat es gewollt; Gott hat es anders gefügt, oder: Es hat sich 
anders gefügt; Gott gab, oder: Es gab eine reichliche Ernte; ganz eins, 
ob ich sage: „wenn's Gott will, so grünt ein Besenstiel“, oder: „wer's 
Gluͤck hat, dem kälbert ein Ochs“; „Gott ist der Dummen Vormund 
oder: Glück ist der Dummen Vormund“, „Gott giebt, Gott nimmt“, 
oder: „es weht nicht allzeit derselbe Wind“; „es geht doch Alles, wie 
Gott will“, oder: „es geht doch Alles, wie es will“; „Gott sorgt 
dafür“, oder: „Es ist dafüͤr gesorgt, daß die Bäume nicht in den Him— 
mel wachsen“; „wen Gott naß macht, den macht er auch wieder trocken“, 
oder: „auf Regen folget Sonnenschein“. Gott ist das in das persön— 
liche Er umgewandelte Es. Er ist gemüthlicher, erbaulicher, als das 
Es des Glücks oder Unglücks, aber das ist auch der einzige Unterschied. 
Der Unglücksfall bleibt derselbe, ob mich der Fall eines Schwalben— 
kothes oder ein muthwilliger Faustschlag meines Augenlichts beraubt, 
ob mich ein zufälliges Es vom Dache herunterstürzt oder ein launen— 
hafter Er, etwa mein allergnädigster Landesvater zu seinem Plaisir vom 
Dache herunterschießt. Es ist daher nicht zu verwundern, daß schon bei 
den Griechen das Wort: Theos, Gott die Bedeutung von Tyche, 
Glück, Zufall hatte*), und daß selbst auch schon die fromme Einfalt 
unsrer christlichen Vorfahren die im „Wesen des Christenthums“ zum 
*) Statt unseres: „in Gottes Namen“ begannen die Griechen ihre öffentlichen 
ð Documente und Beschlüsse mit den Worten: „mit gutem Glück“. Auch die Römer 
ht Aln sagen bald Gott statt Glück oder Zufall, bald Zufall statt Gott. Nisi qui deus 
velcasus aliquis subvenerit, schreibt z. B. Cicero an Tiro. Die Fortuna hatte in 
ahet nichli⸗ Rom nicht weniger als 26 Tempel. — Eben so wie bei uns: Es und Gott Aequi— 
Jiden nur valente sind, heißt es auch bei den Römern: bene vertat Deus! oder; Quae mihi 
atque vobis res vertat bene! 
i gennl eucrbams sanuntliche Werte. VIll. 
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